Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
war Elaines Idee. Sie hat mir jeden Abend einen Becher gemacht, egal, wie spät sie nach Hause kam.«
Winnie versuchte diesen kleinen Liebesdienst mit dem Bild in Einklang zu bringen, das sie sich selbst von Elaine hatte machen können, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. »Fanny«, fragte sie zögernd, während sie sich einen Stuhl ans Sofa rückte, »über was haben Sie sich mit Elaine eigentlich so unterhalten? Mir scheint, dass Sie beide nicht allzu viel gemeinsam haben.«
»Nun ja … Wir reden über ihre Arbeit, über das Krankenhaus – das gibt mir das Gefühl, immer noch ein bisschen dazuzugehören – und über den alltäglichen Haushaltskram, Sie wissen schon – was wir einkaufen müssen, was es zum Abendessen geben soll und so weiter. Manchmal sehen wir auch zusammen fern.« Fannys Gesicht nahm einen abwesenden Ausdruck an. »Dann und wann haben wir auch Urlaubspläne geschmiedet und überlegt, wohin wir fahren würden, wenn es mir wieder besser ginge – egal wohin, Hauptsache sonnig. Italien oder Mallorca. Ich habe mir immer gerne Elaine am Strand vorgestellt, wie sie sich sonnt und so richtig braun wird, und ich habe mir gedacht, wenn sie mal ein bisschen Abstand von allem bekäme, würde sie sich nicht mehr so über alles aufregen .«
»Sich aufregen?«
»Ach, na ja – sie war immer so schnell beleidigt, wenn eine ihrer Kolleginnen irgendetwas gesagt hatte oder wenn sie sich übergangen fühlte. Und manchmal hat sie ohne erkennbaren Grund eine Abneigung gegen gewisse Leute entwickelt, wie …« Fanny brach ab, und ihre bleichen Wangen röteten sich ein wenig.
»Wie zum Beispiel gegen mich, wollten Sie sagen?«, fragte Winnie sanft lächelnd. »Das ist schon in Ordnung, es macht mir nichts aus.«
»Ich glaube nicht, dass es mit Ihnen persönlich zu tun hatte. Mehr mit der Kirche im Allgemeinen.«
Winnie hatte Elaine im Verdacht gehabt, auf sie eifersüchtig zu sein. Jetzt fragte sie sich, ob Elaine nicht befürchtet hatte, dass sie ihre Beziehung zu Fanny zu genau unter die Lupe nehmen könnte.
»Ich hatte den Eindruck, dass sie in letzter Zeit ein bisschen lockerer geworden war«, fuhr Fanny fort. »Wenigstens ist sie dageblieben, wenn Sie mir sonntags die Kommunion gebracht haben. Früher hat sie immer demonstrativ das Haus verlassen, wenn Roberta kam.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, meinte Winnie lächelnd. »Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie irgendjemand Roberta nicht mögen kann.« Sie nahm Fannys leeren Becher. »Werden Sie heute Nacht allein zurechtkommen? Ich kann gerne bleiben, wenn Sie wollen.«
»Sie haben doch ohnehin schon so viel für mich getan.« Fanny ergriff Winnies Hand und drückte sie fest. »Aber ich habe in der Küche Tabletten, die ich manchmal nehme, wenn ich eine schlimme Nacht habe. Vielleicht sollte ich mir heute eine genehmigen.«
»Gute Idee. Ich hole sie Ihnen.«
Winnie ging in die Küche und öffnete die Schublade, die Fanny ihr bezeichnet hatte. Sie fand das Medikament und ließ
eine der kleinen, ovalen, weißen Tabletten in ihre hohle Hand gleiten. Der Name des Mittels, das als leichtes Sedativum bezeichnet wurde, war ihr bekannt, doch sie runzelte die Stirn, als sie das Datum auf dem Rezept las. Es war erst vor einer Woche ausgestellt worden, doch die Packung schien mindestens zur Hälfte aufgebraucht. Sie schüttete die restlichen Tabletten in ihre Hand und zählte sie – von dreißig waren nur noch zehn übrig.
Sie vermutete, dass diese Art von Arzneimittel Abhängigkeit erzeugen konnte. Nahm Fanny mehr als die vorgeschriebene Dosis? Und wie sollte sie es anfangen, Fanny danach zu fragen?
Es war dunkel geworden im Zimmer. Harriet lag auf dem schmalen Bett, immer noch halb in ihrem Traum gefangen, und zusammenhanglose Bilder schwirrten ihr durch den Sinn.
Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, stieg aus der Matratze ein muffiger, säuerlicher Geruch auf. Der Geruch erinnerte sie daran, wie ihre Freundin Samantha einmal bei ihr übernachtet und ins Bett gemacht hatte und an die alte Mrs. Bletchley.
Plötzlich ging ihr ein Licht auf. Das war es – sie war bei Mrs. Bletchley. Sie hatte verschlafen und würde zu spät zur Schule kommen. Aber nein – die Bilder kehrten wieder, verschwommen und wacklig wie in den alten Filmen, die sie in der Schule gesehen hatten.
Ihr Papa – sie erinnerte sich, ihren Papa gesehen zu haben, und wie sie auf den Rücksitz seines Autos geklettert war. Sie war mit dem Rucksack am Türrahmen hängen
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