Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
geblieben, und die Frau auf dem Beifahrersitz hatte sich zu ihr umgedreht und gelächelt.
Wieder dämmerte sie weg, getragen von einem Strom schaukelnder Bewegung – ihr Papa sagte irgendetwas -, sie konnte sehen, wie seine Lippen sich bewegten, doch sie konnte nichts verstehen.
Immer noch war alles dunkel. Eine Kugel aus orangefarbenem Glas, eine Lampe, schob sich flirrend vor ihre Augen. Kaffee, sie hatte Kaffee gerochen. Das erinnerte sie an zu Hause, morgens, wenn ihre Mutter sich für die Arbeit fertig machte … aber nein, das war es nicht …
Verzweifelt versuchte sie, sich aus dem Traum loszureißen. Nicht zu Hause. Starbucks. Die Frau war mit ihr in ein Starbucks-Café gegangen. Aber wo war ihr Papa?
Wieder Bewegung, alles drehte sich. Wieder eine Autofahrt – es war ein Taxi. Sie erinnerte sich an die glänzende schwarze Tür. Das Gesicht eines Mannes, der Fragen stellte, seine blauen Augen freundlich. Sie spürte die Wärme eines Körpers, der sich an den ihren schmiegte, hörte eine Frauenstimme sagen: »Sie ist krank, die Arme … hat sich ein Virus gefangen …«
Mauern ragten vor ihr auf, so hoch, dass sie nicht darüberschauen konnte; sie verschluckten alles Licht. Graue Ziegelsteine, und obendrauf Glasscherben und ein Gewirr von Draht.
Dann ein Tor – oder war das vorher gewesen? Sie konzentrierte sich, versuchte das Bild festzuhalten. Ein silbriger Bogen, wie ein Schlüsselloch, angefüllt mit schwarzen Blumen. Und hinter dem Schlüsselloch ein grüner Schimmer.
Der leuchtende Farbfleck wich zurück und erlosch, als hätte sich eine Tür am Ende eines Tunnels geschlossen, und die Dunkelheit senkte sich herab wie ein schweres Gewicht.
7
Hören Sie, alles, was ich will, sind Tatsachen. … Was man im Leben braucht, sind Tatsachen.
Charles Dickens, Schwere Zeiten
»Bist du sicher, dass ich dich nicht zur U-Bahn fahren soll?«, fragte Gemma, während Kincaid eine Tasse kochend heißen Tee in sich hineinschüttete und eine Scheibe Toast mit Frühstücksspeck zu einem improvisierten Sandwich zusammenklappte. »Dann hättest du noch Zeit, im Sitzen zu frühstücken.«
»Danke, Schatz, aber ich glaube, ich gehe lieber zu Fuß. Wie sagt doch eine alte Bauernregel: Wenn die Sonne scheint, muss man Heu machen.« Der Tag hatte sonnig und windig begonnen, im weiteren Verlauf war jedoch wieder Regen angekündigt.
»Hast wohl wieder mal den Landfunk gehört?«, neckte sie ihn. Sie hatte gerade einen Karton Saft aus dem Kühlschrank geholt und drehte sich lächelnd zu ihm um.
»Ich geb’s ja zu. Das ist mein heimliches Laster.« Er stellte seine Tasse ab und legte den freien Arm um ihre Schultern. »Nein, im Ernst, es macht mir nichts aus, zu Fuß zu gehen, und du musst schließlich die Jungs wecken, wenn ihr rechtzeitig in der Portobello Road sein wollt, ehe auf dem Markt gar kein Durchkommen mehr ist.« Was er verschwieg, war die Tatsache, dass er die kurze Zeit für sich allein brauchte, um sich die Eindrücke des Morgens aus dem Kopf zu schlagen – die helle Küche, erfüllt von wohligen Gerüchen, Gemma, verschlafen
und noch ungekämmt vor dem Aga-Herd, die Jungs oben in ihren Betten friedlich schlummernd – all das waren Dinge, die er lieber gründlich verdrängte, bevor er die Leichenhalle des St. Thomas Hospital betrat.
»Tut mir Leid, dass ich heute nicht mit euch kommen kann«, fügte er hinzu, als sie sich aus seiner Umarmung löste, um die zweite Portion Speck zu wenden, die schon in der Pfanne brutzelte.
»Du weißt doch selbst, dass es nicht zu ändern ist«, antwortete sie, ohne aufzuschauen.
Er zögerte, da er sehr wohl wusste, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, das Thema anzusprechen; andererseits konnte er nicht sagen, wann sich noch einmal eine Gelegenheit ergeben würde. Tess und Geordie wuselten schwanzwedelnd zwischen seinen Füßen umher und verfolgten ihn mit erwartungsvollen Blicken, bis er schließlich nachgab und den Rest seines Sandwichs mit ihnen teilte. »Es macht mir Sorgen, dass Kit nicht über den Termin am Montag reden will.«
Diesmal drehte sie sich zu ihm um. »Mach dir nicht so viele Gedanken um ihn.« Sie lächelte ihm beruhigend zu. »Oder um uns. Wir werden unsere Schatzsuche auf dem Markt genießen, mittags gehen wir vielleicht bei Otto was essen, und nach meiner Klavierstunde nehme ich die zwei dann mit zum Tee bei Erika.« Sie legte die Zange hin, ging auf ihn zu und fasste ihn am Revers. »Ruf mich an, wenn es was Neues gibt. Ich
Weitere Kostenlose Bücher