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Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Titel: Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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klammheimlich die Schwelle zum fünften Lebensjahrzehnt überschritten hatte, wohl amüsieren würde, als ihr »Zukünftiger« bezeichnet zu werden – da dachte man doch eher an einen pickligen Jüngling, der mit Blumen vor der Tür seiner Angebeteten stand. Aber sie machte sich ein wenig Sorgen um Erika. Die alte Dame wirkte hinfälliger, als Gemma sie vom letzten Mal in Erinnerung hatte, und bei der Umarmung hatte sie sich so leicht und zerbrechlich angefühlt wie ein Vogel. Doch Erika hielt sich nach wie vor kerzengerade, ihr schneeweißes Haar war zu einem ordentlichen Knoten zusammengebunden,
und ihre glänzenden schwarzen Augen sprühten noch immer vor Lebensfreude und Humor.
    Gemma war Erika Rosenthal im vergangenen Jahr zum ersten Mal begegnet, als die alte Dame einen Einbruch angezeigt hatte. Kurz darauf war Gemma bei den Ermittlungen in einem Mordfall auf eine von Erika verfasste wissenschaftliche Studie zur Göttinnenverehrung gestoßen und hatte ihr daraufhin einen dienstlichen Besuch abgestattet. Sie hatten sich angefreundet, und Gemma versuchte, Erika so oft zu besuchen, wie es ihr chaotischer Terminkalender zuließ.
    Mit ihren über neunzig Jahren war Erika noch erstaunlich rege und selbstständig, von hellem Verstand und vielseitigen Interessen. Gemma holte oft ihren Rat ein, wenn sie in einem Fall nicht mehr weiterwusste, und seit Hazel so weit weg war, vertraute sie ihr auch immer öfter Gedanken und Gefühle an, von denen sonst niemand etwas wissen durfte. Erikas Lebenserfahrung und ihre abgeklärtere Sicht der Dinge waren für Gemma eine einmalige Quelle des Trosts, und der Gedanke, dass es mit ihrer Freundin allmählich bergab gehen könnte, bedrückte sie zutiefst.
    Als sie das Wohnzimmer betrat, fand sie die beiden Jungen über eine riesige Platte mit Sandwichs gebeugt, die auf Erikas kleinem runden Chippendale-Tisch stand.
    »Schimpfen Sie nicht mit ihnen, weil sie nicht gewartet haben«, bat Erika. »Ich habe ihnen gesagt, sie könnten ruhig schon mal anfangen. Kinder brauchen ihre regelmäßigen Mahlzeiten.«
    »Genau wie Tiger«, fügte Toby hinzu und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Schau mal, Mami, Erika hat auch Scones gemacht.« Auf einem anderen Tisch standen eine Schale mit Gebäck und eine Kanne Tee.
    »Ach, Erika, Sie hätten sich doch nicht so viel Arbeit machen sollen«, sagte Gemma, »schon gar nicht, wo ich doch eigentlich Sie einladen wollte.«

    »Unsinn. Es ist schön, mal wieder für jemanden backen zu können. Für mich allein mach ich’s ja doch nicht.«
    Da Erika darauf bestand, ihr den Tee servieren zu dürfen, nahm Gemma auf dem roten Brokatsofa Platz und genoss wie immer die geschmackvolle Einrichtung im Zimmer. Sie selbst war in einem Haushalt aufgewachsen, der vom Fernseher und von dem, was ihre Mutter als »praktische« Möbel bezeichnete, dominiert worden war, und umso besser gefiel ihr Erikas reichhaltige und ein wenig chaotische Sammlung von Büchern, Gemälden und den alten deutschen Möbeln, die sie sich im Lauf der Jahre als Ersatz für die im Krieg verloren gegangenen Familienerbstücke angeschafft hatte. Stets schmückte ein großer Blumenstrauß das Zimmer, und dann war da natürlich das Piano. Bevor Duncan sie letztes Jahr zu Weihnachten mit einem eigenen Klavier überrascht hatte, hatte Gemma Erikas alten Stutzflügel immer mit unverhohlenem Neid betrachtet.
    Jetzt empfand sie bei seinem Anblick nur ein leises Bedauern wegen ihrer versäumten Klavierstunde, während sie die Tasse mit dem noch dampfenden Tee aus Erikas Hand entgegennahm. »Hast du deinen Präparateschrank schon eingeräumt?«, fragte sie Kit, nachdem sie sich ein paar Sandwichs auf den Teller gelegt hatte.
    »Äh, nicht ganz«, antwortete Kit mit einem Seitenblick auf seinen Bruder. »Toby hat mir geholfen«, fügte er hinzu – eine taktvolle Umschreibung.
    »Kann ich mir lebhaft vorstellen. Tut mir Leid, dass ich dich hab hängen lassen.« Sie verkniff sich den Zusatz Es ist etwas dazwischengekommmen. Es war eine Phrase, die in ihrer Familie ohnehin schon viel zu häufig benutzt wurde.
    Kits Achselzucken sprach Bände. Als sie die beiden Jungen so betrachtete, wie sie ihr Seite an Seite gegenübersaßen, musste sie wieder einmal über ihre auffallende Ähnlichkeit staunen – denn schließlich waren sie ja nicht verwandt. Beide
hatten glatte, blonde Haare und blaue Augen, aber während Kit sowohl etwas von seiner verstorbenen Mutter als auch von Duncan hatte, hätte man bei Toby

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