Denn rein soll deine Seele sein
drehte den Kopf zur Seite.
»Nicht so schnell, nehmen Sie sich ruhig Zeit. Damit Sie begreifen, wen Sie da decken.«
Sie blätterte den Stapel durch. Auf ihr Gesicht trat ein Ausdruck des Ekels.
»Eine Frau ist so brutal zugerichtet worden, daß die Membran zwischen Vagina und Anus gerissen ist, sie bekam eine schwere Infektion, man hat ihr die Gebärmutter herausnehmen müssen. Die Frau war einundzwanzig, Rayana.«
Sie gab Decker die Fotos zurück. »Das mag ja alles sehr traurig sein, aber ich weiß nichts.«
»Ich muß Sie zur Vernehmung aufs Revier bringen.«
»Na, wennschon.«
Verdammt, sie ließ sich nicht festnageln. »Also, gehen wir.«
»Wird's lange dauern?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann ruf ich am besten die Chefin an und sag ihr Bescheid.«
Sie führte ein kurzes Gespräch. Dann seufzte sie. »Die Chefin kommt gleich. Mann, die war vielleicht sauer! Ich glaub, ich hab sie beim Mittagsschlaf gestört.«
Decker sah auf die Uhr. »Hoffentlich beeilt sie sich.«
»Wir können ja gehen.«
»Wollen Sie nicht warten, bis sie da ist?«
»Damit sie sieht, wie ich von 'nem Cop abgeschleppt werde? Nee, das fehlte noch.«
Decker brachte sie zu seinem Dienstwagen. Seine Wäsche hatte er vergessen.
»Sie ist also wieder frei?« fragte Fordebrand.
»Ja. Wir haben nichts in der Hand. Meist sind Leute, die sich zu einem Anruf bei der Polizei aufraffen, richtig froh, wenn sie auspacken können, aber sie hat nichts rausgelassen.« Decker überlegte einen Augenblick. »Vielleicht wollte sie sich nicht belasten und hat uns nicht geglaubt, als wir ihr Immunität zugesichert haben. Verdammt, vielleicht steckt sie sogar mit drin.«
»Hast du Gründe für diesen Verdacht?«
»Nichts Konkretes. Jedenfalls haben wir bei ihr eine absolute Niete gezogen.«
»Die kommt wieder«, tröstete Fordebrand. »Sobald sie Angst genug hat.«
»Und inzwischen überfällt der Dreckskerl die nächste. Hollander beobachtet sie. Mal sehen, mit wem sie so verkehrt. Vielleicht macht sie eine Dummheit und führt uns auf eine Spur.«
»Wollen wir irgendwo zusammen was essen?«
»Klar, immer. Will nur mal sehen, ob irgendwas für mich anliegt.« Auf dem Stapel mit der Eingangspost fand sich ein dicker Umschlag, Deckers Name und Adresse waren auf einen Zettel getippt, der mit Klebeband auf dem Umschlag befestigt war.
»Wann ist das gekommen?« fragte Decker in den Raum hinein.
»Keine Ahnung«, erwiderte Fordebrand.
»Gegen Mittag«, ließ sich der dunkelhäutige Detective Mac-Pherson aus dem Raubdezernat vernehmen, ein Frauenheld, der mit Vorliebe Shakespeare und Bacon zitierte. »Während du mit der Schönen aus der Reinigung getändelt hast. Kannst es ruhig aufmachen, das Sprengstoffdezernat hat den Liebesbrief gecheckt.«
»Keine Briefmarke. Ist er nicht durch die Post gekommen?«
»Jetzt mach schon auf, Peter«, drängte MacPherson.
Decker öffnete den Umschlag vorsichtig und kippte den Inhalt heraus. Zum Vorschein kam ein Frühstücksbeutel aus Plastik, der einen eingewickelten Gegenstand enthielt, und einen Zettel, auf den ein Satz getippt war: »Paßt vielleicht zu dem Mord an der fetten Negersau in der Judenschule.«
Decker packte gar nicht erst weiter aus, sondern verständigte sofort das Labor.
Er aß ein Steak mit Pommes frites und Salat und trank ein Bier mit Fordebrand, dann ging er nach Hause und schlief ein paar Stunden. Als er aufwachte, war es fast sechs. Wenn er seine Termine mit Stein und Mendelsohn nicht verpassen wollte, mußte er sich beeilen. Er fütterte noch die Tiere und telefonierte mit dem Revier, dann fuhr er wieder los.
In dem Frühstücksbeutel war ein blutiges Messer gewesen, es hatte einen beinernen Griff mit Namensschild. Auf dem Schild stand der Name Cory Schmidt. Erste Analysen hatten ergeben, daß an dem Messer Florence Marleys Blut und Fasern von ihrer khakifarbenen Uniform hafteten. Marge hatte bereits einen Haussuchungsbefehl für Corys Wohnung und einen Haftbefehl für Cory beantragt, aber Cory und seine Freunde waren nicht aufzufinden gewesen und wurden noch gesucht. Decker hinterließ, wo er zu erreichen war.
Verdammt komische Geschichte. Wem konnte daran gelegen sein, Cory zu verpfeifen? Seinen Freunden? Dem wahren Mörder? Aber woher wußte der, daß Cory in Verdacht geraten war? Es sei denn, daß es jemand aus der Jeschiwa war, der erfahren hatte, daß Rina von Cory mit einem Messer bedroht worden war. Jetzt hatte Decker es noch eiliger, seine Gespräche zu führen.
Shlomo
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