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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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auf ihre Schultern, und sie lächelte. Sie wirkte
glücklich, jung und lebenslustig.
Das Foto war beim ersten Spiel der Saison Ende
September aufgenommen worden. Ein paar Wochen später
war Rob Westerfield auf sie aufmerksam geworden, als sie
mit Freundinnen beim Bowling im Sportzentrum der Stadt
war. In der Woche darauf hatte sie die Spritztour in
seinem Auto gemacht, bei der er von der Polizei wegen zu
schnellen Fahrens angehalten worden war.
»Mrs. Hilmer, ich muss Sie warnen«, sagte ich. »Es ist
nicht ganz leicht, sich auf all das einzulassen, und wenn
Sie das Gefühl haben, es könnte zu viel für Sie sein …«
Sie unterbrach mich. »Nein, Ellie, ich möchte es tun.«
»Gut.« Ich holte den Rest der Zeitungen hervor. Das
Prozessprotokoll lag noch in der Tasche. Ich nahm es
heraus. »Dies hier ist ziemlich unangenehm zu lesen.«
»Lassen Sie es da«, sagte sie entschlossen.
Mrs. Hilmer bestand darauf, mir eine kleine Taschen
lampe für den Rückweg zu leihen, und im Nachhinein war
ich froh, sie mitgenommen zu haben. Der Himmel hatte
noch weiter aufgeklart, sodass jetzt eine schmale
Mondsichel zu sehen war. Ich war in einer merkwürdigen
Stimmung, immerzu musste ich an Halloween und Bilder
von Katzen denken, die grinsend auf Mondsicheln sitzen,
als ob sie Träger eines geheimen Wissens seien.
Ich hatte nur ein kleines Nachtlicht im Treppenhaus
brennen lassen – wiederum aus Rücksicht auf meine
Gastgeberin, deren Stromrechnung ich nicht unnötig
vergrößern wollte. Als ich die Treppe hinaufstieg, war ich
mir nicht mehr so sicher, ob dieser Anfall von
übertriebener Sparsamkeit der Weisheit letzter Schluss
gewesen war. Das Treppenhaus war fast dunkel, die
Stufen lagen im Schatten und knarzten unter meinen
Tritten. Der Gedanke schoss mir durch den Kopf, dass
Andrea in einer ganz ähnlichen Garage ermordet worden
war. Beide Gebäude waren ursprünglich Scheunen
gewesen. Der ehemalige Heuboden war hier in eine
Wohnung umgewandelt worden, aber ansonsten ähnelten
sie sich wie ein Ei dem andern.
Als ich das obere Ende der Treppe erreicht hatte, hielt
ich den Schlüssel schon in der Hand, sperrte rasch auf,
schlüpfte in die Wohnung und verriegelte die Tür hinter
mir. Ich hörte augenblicklich auf, mir über Stromrechnun
gen Gedanken zu machen, und schaltete alle Lichter ein,
die ich finden konnte: die Lampen zu beiden Seiten der
Couch, den Kronleuchter über dem Esstisch, das Licht im
Gang und die Lampen im Schlafzimmer. Schließlich
atmete ich erleichtert auf und versuchte, das Angstgefühl,
von dem ich gepackt worden war, wieder abzuschütteln.
Der Tisch sah merkwürdig ordentlich aus: Laptop und
Drucker, Terminkalender und Füller an einem Ende,
Obstschale und Kerzenhalter in der Mitte. Plötzlich fiel
mir auf, dass etwas verändert war. Ich hatte meinen Füller
rechts neben den Terminkalender gelegt, gleich neben den
Computer. Jetzt befand er sich auf der linken Seite des
Kalenders, auf der dem Computer abgewandten Seite. Ein
Schauder lief mir über den Rücken. Es musste jemand hier
gewesen sein und ihn in der Hand gehabt haben. Aber
warum? Um in meinem Terminkalender zu blättern und
einen Einblick über meine Aktivitäten zu bekommen –
einen anderen Grund konnte es nicht geben. Wonach hatte
er noch gesucht?
Ich schaltete den Computer ein und schaute hastig in der
Datei nach, in der ich meine Notizen über Rob Westerfield
sammelte. Gerade an diesem Nachmittag hatte ich eine
kurze Beschreibung des Mannes eingegeben, der mich auf
dem Parkplatz am Bahnhof aufgehalten hatte. Sie stand
immer noch da, aber ein Satz war hinzugefügt worden. Ich
hatte den Kerl als mittelgroß, hager, mit bösartigen Augen
und Mund beschrieben. Der hinzugefügte Satz lautete:
»Als gefährlich eingestuft, Annäherung nur mit äußerster
Vorsicht.«
Meine Knie wurden weich. Es war schlimm genug, dass
jemand eingebrochen war, während ich bei Mrs. Hilmer
war, aber dass er sein Eindringen offen zur Schau stellte,
war wirklich beängstigend. Ich war absolut sicher, dass ich
die Wohnungstür beim Weggehen zugesperrt hatte, aber
sie wies nur ein einfaches, billiges Schloss auf, das wohl
kein großes Hindernis für einen professionellen Ein
brecher darstellte. Fehlte irgendetwas? Ich hastete ins
Schlafzimmer und bemerkte, dass die Schranktür, die ich
geschlossen hatte, jetzt leicht geöffnet war. Meine Kleider
und meine Schuhe schienen jedoch genauso angeordnet zu
sein,

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