Denn vergeben wird dir nie
ein
Ziel, nämlich Robson Westerfields Ruf reinzuwaschen,
einen neuen Prozess zu erlangen und einen Freispruch zu
erwirken. Falls sie damit Erfolg hat, würde das de facto
bedeuten, dass vor der Welt ein anderer junger Mann als
Mörder meiner Schwester dastünde – ein junger Mann, der
in seinem Leben, wie ich hinzufügen möchte, weder über
das nötige Geld noch über die intellektuellen Fähigkeiten
verfügte, um eine Einrichtung wie diese zu besuchen.
Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass das nicht
geschieht.«
»Sie müssen verstehen …«, begann Parshall.
»Ich verstehe, dass ich Sie nicht namentlich zitieren darf.
Aber Sie könnten mir in der Sache weiterhelfen. Was mir
vorschwebt, ist eine Liste der Schüler, die mit Rob
Westerfield in einer Klasse waren. Ich möchte wissen, ob
einer von ihnen besonders mit ihm befreundet war, oder
noch besser, ob es einen gab, der ihn nicht ausstehen
konnte. Wer hat mit ihm das Zimmer geteilt? Und, ganz
unter uns – ich werde Ihren Namen nicht erwähnen –,
warum wurde er eigentlich rausgeworfen?«
Wir blickten uns einen langen Augenblick schweigend in
die Augen, ohne dass einer den Blick abwendete.
»Ich könnte auf meiner Website problemlos über Robson
Westerfields exklusive Privatschule schreiben, ohne dabei
den Namen zu erwähnen«, sagte ich. »Ich könnte aber
auch schreiben: Arbinger Preparatory School, Alma Mater
von Seiner Königlichen Hoheit, Prinz Gregor von Belgien,
Seiner Hoheit, Prinz …«
Er unterbrach mich: »Alles bleibt unter uns?«
»Absolut.«
»Weder der Name der Schule noch meiner werden
erwähnt?«
»Absolut.«
Er seufzte, und ich hatte fast Mitleid mit ihm. »Kennen
Sie die Redensart: ›Trau niemals einem Fürsten‹, Miss
Cavanaugh?«
»Die ist mir sogar recht geläufig, nicht nur in der
biblischen Version, sondern auch in einer Abwandlung,
die man mir gegenüber schon gebraucht hat: ›Trau niemals
einem investigativen Reporter.‹«
»Soll das eine Warnung sein, Miss Cavanaugh?«
»Wenn der betreffende Reporter persönlich integer ist,
nein.«
»Ich nehme Sie beim Wort und vertraue Ihnen, in dem
Sinne, dass ich mich auf Ihre Diskretion verlasse. Keine
Namensnennung?«
»Absolut.«
»Der einzige Grund, weshalb man Robson Westerfield
überhaupt bei uns aufgenommen hat, war, dass sein Vater
angeboten hat, das naturwissenschaftliche Gebäude zu
renovieren. Es sollte nicht an die große Glocke gehängt
werden, wie ich hinzufügen möchte. Rob kam zu uns als
gestörter Schüler, der sich unter seinen Mitschülern auf
der Grundschule niemals wohl gefühlt hat.«
»Er ist acht Jahre in Baldwin auf Manhattan gewesen«,
sagte ich. »Hat es dort Probleme gegeben?«
»Keine, über die uns berichtet worden wäre. Auffällig
waren höchstens die fehlenden oder nichts sagenden
Beurteilungen durch seine Lehrer.«
»Und das naturwissenschaftliche Gebäude hatte eine
Renovierung nötig?«
Parshall blickte geschmerzt. »Westerfield stammte aus
einer guten Familie. Seine Intelligenz ist in der obersten
Kategorie anzusiedeln.«
»Gut«, sagte ich. »Dann gehen wir jetzt ans
Eingemachte. Wie ist man mit einem solchen Typen in
diesen heiligen Hallen zurechtgekommen?«
»Ich hatte gerade erst angefangen, hier zu unterrichten,
bin also ein Zeuge aus erster Hand. Es war in etwa
genauso schlimm, wie man es sich vorstellt«, sagte
Parshall.
»Ich nehme an, Sie wissen, wie man einen Soziopathen
definiert?« Er winkte sofort mit einer ungeduldigen
Handbewegung ab. »Entschuldigung. Auch meine Frau
muss mich immer wieder mal daran erinnern, dass ich
nicht vor der Klasse stehe. Ich spreche von einem
Soziopathen als einem Menschen, der ohne Gewissen
geboren wurde, der nur Verachtung übrig hat für den
sozialen Verhaltenskodex, wie Sie und ich ihn verstehen,
und der sich in ständigem Konflikt mit ihm befindet.
Robson Westerfield war geradezu ein Musterbeispiel für
diese Art von Persönlichkeit.«
»Also hatten Sie von Anfang an Probleme mit ihm?«
»Wie so viele seinesgleichen ist er mit einem ange
nehmen Äußeren und hoher Intelligenz gesegnet. Dazu
kommt, dass er aus vornehmer Familie stammt. Sein
Großvater und sein Vater waren hier Schüler. Wir haben
gehofft, dass wir die guten Eigenschaften wecken könnten,
die vielleicht noch in ihm schlummerten.«
»Die Leute halten nicht viel von seinem Vater, Vincent
Westerfield. Was hat er für einen Eindruck an der Schule
hinterlassen?«
»Ich habe seine
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