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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Wörter auf meinem Computer
geschrieben hätte?« Ich wartete nicht auf ihre Antwort.
»Die Westerfields basteln schon eifrig an dem Bild, ich sei
ein gestörtes Kind mit einer überschäumenden Fantasie
gewesen, und daher sei meine Zeugenaussage bei Gericht
unglaubwürdig. Können Sie sich vorstellen, was sie aus
einer Geschichte wie dieser machen würden? Es würde
sich so anhören, als sei ich jemand, der Drohbriefe an sich
selbst verschickt, nur um öffentliche Aufmerksamkeit zu
bekommen.«
Ich kippte den letzten Schluck Kaffee hinunter. »Es gibt
aber etwas, das Sie für mich tun könnten, wenn es Ihnen
nichts ausmacht. Bitte rufen Sie Joan Lashley an und
fragen Sie, ob ich sie morgen besuchen könnte.«
Es tat gut, als Mrs. Hilmer mir zum Abschied »Fahren
Sie vorsichtig« sagte und mich rasch auf die Wange
küsste.
Unterwegs geriet ich in der Umgebung von Boston in den
Berufsverkehr, sodass es fast schon elf Uhr war, als ich
das sorgfältig bewachte Tor der Arbinger Preparatory
School passierte. Der Eindruck, den die Schule von den
Fotos auf der Website her auf mich gemacht hatte, wurde
von der Wirklichkeit noch übertroffen. Die gepflegten
Ziegelgebäude strahlten unter der Novembersonne eine
heitere und gelassene Atmosphäre aus. Die lange Allee,
die über den Campus führte, war gesäumt von alten
Bäumen, deren Kronen in der schönen Jahreszeit ein
dichtes Blättergewölbe formen mussten. Es fiel nicht
besonders schwer, sich vorzustellen, dass die meisten
Kinder, die aus einer Anstalt wie dieser hervorgingen,
zusammen mit ihrem Abschlusszeugnis ein Gefühl des
Auserwähltseins erwarben, ein Gefühl, zu etwas Beson
derem geformt worden zu sein, ein Stück über dem Rest
der Menschheit zu schweben.
Während ich den Wagen auf den Besucherparkplatz
lenkte, rief ich mir die Liste der Highschools in
Erinnerung, die ich besucht hatte. Erstes Jahr in
Louisville. Zweite Hälfte des zweiten Jahres in Los
Angeles. Nein, dort blieb ich bis zur Mitte des dritten
Jahres. Wo war ich danach? Ach ja, Portland, Oregon.
Und schließlich zurück nach Los Angeles, das mir
während meines vierten Jahres und der vier Jahre am
College ein erstes Gefühl der Kontinuität gab. Mutter zog
weiter innerhalb der Hotelkette von Stadt zu Stadt, bis ich
mein letztes Jahr am College absolvierte. Das war die Zeit,
in der sich der Schaden an ihrer Leber zu beschleunigen
begann und wir uns bis zu ihrem Tod eine kleine
Wohnung teilten.
Ich hab mir immer gewünscht, dass ihr beiden Mädchen
lernt, wie man sich richtig verhält, Ellie. Wenn ihr dann
jemanden aus sehr guter Familie kennen lernt, gibt es
euch die nötige Sicherheit im Auftreten.
Ach Mutter, dachte ich, als ich ins Hauptgebäude
eingelassen und zu Craig Parshalls Büro begleitet wurde.
An den Wänden des Flurs reihten sich die Porträts von
würdig blickenden Männern, und soweit ich im Vorüber
gehen feststellen konnte, handelte es sich bei den meisten
um ehemalige Direktoren der Schule.
Craig Parshalls äußere Erscheinung war weniger
beeindruckend, als seine vornehm klingende Stimme hatte
vermuten lassen. Er ging auf die sechzig zu und trug noch
immer das Schulabzeichen. Das ausgedünnte Haupthaar
war übertrieben perfekt gekämmt – ein vergeblicher
Versuch, die kahle Fläche auf dem Schädel zu bedecken –,
und es gelang ihm nicht, die Tatsache zu verbergen, dass
er äußerst nervös war.
Sein Zimmer war groß und sehr gediegen eingerichtet,
mit holzvertäfelten Wänden, schweren Vorhängen, einem
Perserteppich, der gerade so weit abgetreten war, dass sein
antiquarischer Wert nicht in Zweifel gezogen werden
konnte, bequemen Ledersesseln und einem Mahagoni
schreibtisch, hinter den er sich rasch zurückzog, nachdem
er mich begrüßt hatte.
»Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, Miss
Cavanaugh …«, begann er.
»Mr. Parshall, lassen Sie uns keine Zeit verschwenden«,
unterbrach ich ihn. »Ich bin mir vollkommen bewusst über
die Zwänge, denen Sie unterliegen, und ich habe vollstes
Verständnis dafür. Beantworten Sie einfach nur ein paar
Fragen, und dann werde ich Sie nicht weiter belästigen.«
»Ich werde Ihnen die Daten geben für die Zeit, in der
Robson Westerfield an unserer Schule …«
»Die genauen Daten, wann er hier Schüler war, sind mir
bekannt. Sie wurden im Prozess um den Mord an meiner
Schwester festgehalten.«
Parshall zuckte zusammen.
»Mr. Parshall, die Westerfield-Familie verfolgt nur

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