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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Glücksache. Manchmal
werden sie prima, dann wieder schmecken sie grauen
voll.«
Wir gingen durch das Wohnzimmer, das von der Vorder-
bis zur Rückseite des Hauses reichte. Es war ein Raum,
wie ich ihn liebte: gepolsterte Sofas, Clubsessel, eine
Bücherwand, ein offener Kamin, große Fenster, die
Ausblick auf die umhegenden Hügel gewährten.
Wir haben den gleichen Geschmack, dachte ich. Und
dann fiel mir auf, dass das auch für die Kleidung galt.
Beide waren wir leger angezogen, in Pullover und Jeans.
Ich hatte eine große, elegant gekleidete Frau mit langen
Haaren erwartet. Und sie hatte sich sicherlich nicht nur
vorgestellt, ich sei klein, sondern auch, dass ich
irgendetwas Romantisches mit Rüschen tragen würde.
Meine Mutter hatte für Andrea und mich immer sehr
mädchenhafte Kleider ausgewählt.
»Leo ist mit den Jungs weg«, sagte sie. »Wenn die drei
beisammen sind, dann scheint das Leben ein einziges
langes Basketballspiel zu sein.«
Der Tisch im Frühstückszimmer war bereits für zwei
gedeckt. Die Kaffeemaschine auf der Anrichte war
eingeschaltet. Durch das Fenster hatte man einen
herrlichen Blick auf das Steilufer und den Hudson.
»An dieser Aussicht könnte ich mich nie satt sehen«,
bemerkte ich, als wir uns setzten.
»Das geht mir genauso. Viele von den alten Bekannten
sind runter in die Stadt gezogen, aber weißt du was?
Immer mehr kommen wieder zurück. Die Fahrt nach
Manhattan dauert nicht länger als eine Stunde, und das ist
es ihnen wert.« Joan hatte Kaffee eingegossen, während
sie sprach. Jetzt hielt sie jedoch abrupt inne und stellte die
Kanne zurück auf die Anrichte. »O mein Gott, höchste
Zeit, die Muffins rauszuholen.« Sie verschwand in der
Küche.
Sie war vielleicht nicht genau so, wie ich sie mir
vorgestellt hatte, dachte ich bei mir, aber in einer Hinsicht
hatte sie sich überhaupt nicht verändert: Mit ihr ging es
immer lustig zu. Sie war Andreas beste Freundin gewesen
und war daher ständig in unserem Haus ein- und
ausgegangen. Natürlich hatte ich meine eigenen Freundin
nen, aber wenn gerade keine von ihnen bei mir war, hatten
mich Andrea und Joan bei sich geduldet, und oft hörte ich
mit ihnen in Andreas Zimmer Platten. Und wenn sie
gemeinsam ihre Hausaufgaben machten, durfte ich mich
mit meinen zu ihnen setzen, jedenfalls solange ich sie
nicht nervte.
Joan kehrte triumphierend mit einem Tablett CornMuffins zurück. »Du darfst mir gratulieren, Ellie«, sagte
sie. »Ich hab sie gerade noch erwischt, bevor sie
angebrannt sind.«
Ich nahm mir einen. Joan setzte sich, schnitt ein Muffin
auf, schmierte etwas Butter darauf, biss ab und rief aus:
»Mein Gott, sie sind essbar!«
Wir lachten beide und gerieten dann sofort ins Reden.
Sie wollte wissen, was ich so getrieben hätte, und ich
berichtete ihr in aller Kürze über die Jahre zwischen
meinem siebten Lebensjahr und der Gegenwart. Sie hatte
vom Tod meiner Mutter gehört. »Dein Vater hatte eine
Anzeige in die Lokalzeitung gesetzt«, erzählte sie. »Eine
sehr liebevolle. Wusstest du das?«
»Er hat sie mir nicht geschickt.«
»Ich habe sie noch irgendwo. Wenn du sie sehen
möchtest, kann ich sie raussuchen. Obwohl das natürlich
ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen wird. Im
Aufbewahren und Einordnen von Dokumenten bin ich
ungefähr genauso gut wie im Backen.«
Ich wollte eigentlich sagen, sie solle sich keine
Umstände machen, aber ich war neugierig, was mein
Vater geschrieben hatte. »Falls du darauf stößt, würde ich
sie gerne sehen«, sagte ich möglichst beiläufig. »Aber
bitte stell nicht deswegen das Haus auf den Kopf.«
Ich war mir sicher, dass Joan mich fragen wollte, ob ich
Kontakt zu meinem Vater aufgenommen hätte, aber sie
musste gespürt haben, dass ich nicht über ihn sprechen
wollte.
Stattdessen sagte sie: »Deine Mutter war so hübsch. Und
auch dein Vater sah wirklich gut aus. Meiner Erinnerung
nach hat er mich immer ziemlich eingeschüchtert, aber
wahrscheinlich war ich in ihn verliebt. Es hat mir sehr
Leid getan, als ich von ihrer Trennung nach dem Prozess
gehört habe. Ihr habt als Familie immer so glücklich
gewirkt, und ihr habt so viel zusammen unternommen. Ich
hätte mir damals gewünscht, meine Familie würde auch
am Sonntag zum Brunch ins Bear Mountain Inn gehen, so
wie ihr es manchmal getan habt.«
»Gerade vor einer Stunde musste ich an das eine Mal
denken, als wir nicht dorthin gegangen sind«, sagte ich
und erzählte Joan, wie Andrea

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