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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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haben.
Ich hatte nichts von ihm gehört, seit wir vor zehn Tagen
in Atlanta gemeinsam zu Abend gegessen hatten. Aus den
Augen, aus dem Sinn, dachte ich. Auf der Suche nach
einem neuen Job. »Verfolgt neue Interessen«, wie man im
Businessjargon sagt, wenn jemand sein Büro räumen
muss. Oder wenn er die alten Verbindungen kappt.
Sämtliche Verbindungen.

21
    EINE STUNDE SPÄTER kündigte sich eine
Wetteränderung an. Das leise Klappern einer losen
Scheibe im Fenster über der Spüle war das erste
Anzeichen, dass Wind aufgekommen war. Ich stand auf,
stellte den Thermostat höher und ging zurück an meinen
Computer. Als ich bemerkt hatte, dass mich ein akuter
Anfall von Selbstmitleid zu übermannen drohte, hatte ich
angefangen, am ersten Kapitel meines Buches zu arbeiten.
    Nach einigen missglückten Anfängen war ich zu der
Einsicht gelangt, dass ich mit meinen letzten Erinnerungen
an Andrea beginnen sollte, und als ich mit dem Schreiben
anfing, schien in meinem Gedächtnis alles schärfer zu
werden. Ich sah ihr Zimmer mit dem weißen OrgandyBettüberwurf und den Rüschenvorhängen vor mir. Ich
erinnerte mich in allen Einzelheiten an die altmodische
Kommode, die meine Mutter so sorgfältig auf antik
gestrichen hatte. Ich sah die Bilder von Andrea und ihren
Freundinnen, die sie in den Rahmen des Spiegels über
dieser Kommode gesteckt hatte.
    Ich sah Andrea vor mir, wie sie in Tränen aufgelöst mit
Rob Westerfield am Telefon sprach, und ich sah, wie sie
das Kettchen mit dem Anhänger anlegte. Während ich
schrieb, wurde mir bewusst, dass es noch etwas mit
diesem Anhänger auf sich hatte, was mir bisher entgangen
war. Ich würde ihn nicht eindeutig wiedererkennen
können, wenn ich ihn heute vor mir sähe, aber ich hatte
damals der Polizei eine genaue Beschreibung geliefert –
eine Beschreibung, die als kindliche Fantasie abgetan
worden war.
    Für mich stand jedoch fest, dass sie ihn trug, als ich sie
fand, und ich war sicher, Rob Westerfield im Garagen
versteck gehört zu haben. Mutter hatte mir später erzählt,
dass sie und mein Vater zehn bis fünfzehn Minuten
gebraucht hatten, bis sie mich so weit beruhigen konnten,
dass ich überhaupt in der Lage war, ihnen zu sagen, wo
ich Andreas Leiche gefunden hatte. Genug Zeit für Rob,
um sich aus dem Staub zu machen. Und er hatte den
Anhänger mitgenommen.
    Vor Gericht hatte er behauptet, zu dieser Zeit beim
Joggen und nicht in der Nähe der Garage gewesen zu sein.
Dennoch hatte er die Sachen gewaschen und gebleicht, die
er an diesem Morgen getragen hatte, zusammen mit den
blutverschmierten Kleidern vom Abend zuvor.
    Einmal mehr ließ mich das wahnsinnige Risiko, das er
eingegangen war, als er noch einmal zur Garage zurück
gekehrt war, stutzig werden. Warum musste er den
Anhänger unbedingt zurückhaben? Befürchtete er, dass
sein Fund ausreichen würde, um zu belegen, dass Andrea
mehr gewesen war als nur ein junges Mädchen, das ihn
mit ihrer Schwärmerei belästigt hatte? Allein schon bei
dem Gedanken an diesen Morgen, an das heftige Atmen
und das nervöse Kichergeräusch, das ich gehört hatte, als
er auf der anderen Seite des Vans kauerte, spürte ich, wie
meine Hände auf der Tastatur klamm wurden.
    Wenn ich nun nicht alleine durch den Wald gekommen
wäre, sondern meinen Vater mitgebracht hätte? Rob wäre
in der Garage geschnappt worden. Hatte reine Panik ihn
zurückkehren lassen? War es denkbar, dass er das
unwiderstehliche Bedürfnis empfand, sich davon zu
überzeugen, dass nicht alles ein Albtraum gewesen war?
Oder, was am schlimmsten wäre, war er zurückgekehrt,
um sich davon zu überzeugen, dass Andrea nicht mehr am
Leben war?
    Um sieben Uhr schaltete ich den Backofen ein und legte
die Kartoffel hinein, dann ging ich zurück an die Arbeit.
Kurz darauf klingelte das Handy. Es war Pete Lawlor.
»Hallo Ellie.«
    Irgendetwas an seiner Stimme sagte mir, ich müsse mich
auf etwas gefasst machen.
»Was ist los, Pete?«
»Wollen wir nicht lieber erst mal über dies und das
reden?«
»Das tun wir doch nie, oder?«
»Sie haben Recht. Ellie, die Zeitung ist verkauft worden.
Jetzt steht es fest. Am Montag wird es offiziell bekannt
gegeben. Nur ein kleiner Teil der Mitarbeiter soll
übernommen werden.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Sie haben mir eine Stelle angeboten. Ich habe
abgelehnt.«
»Sie haben letztes Mal schon angekündigt, dass Sie das
tun wollten.«
»Ich habe nachgefragt, was mit Ihnen passiert,

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