Denn vergeben wird dir nie
Anrufbeantworter. Wie ich vermutet hatte, war er nach
Colorado geflogen, um seine Frau abzuholen. »Wir sind
noch ein paar Tage länger geblieben, um uns einige
Häuser anzuschauen«, erklärte er. »Ich glaube sogar, wir
haben das Richtige gefunden.«
Dann änderte sich sein Ton. »Ich wollte Ihnen gerade
von dem Baby erzählen, aber das kann warten. Soviel ich
weiß, sind eine ganze Menge Dinge passiert seit meiner
Abreise.«
»Das stimmt, Marcus. Kann ich Sie zum Mittagessen
einladen? Ich muss Sie wegen einiger Dinge um Rat
bitten.«
»Die Beratung ist gratis. Außerdem lade ich Sie zum
Essen ein.«
Wir trafen uns im Depot Restaurant in Cold Spring. Bei
Club-Sandwiches und Kaffee berichtete ich ihm über die
ereignisreiche Woche, die ich hinter mir hatte.
Er unterbrach mich regelmäßig mit Fragen.
»Glauben Sie, dass das Feuer gelegt worden ist, um Sie
zu erschrecken oder um Sie tatsächlich umzubringen?«
»Ich bin mehr als nur erschrocken; ich wusste nicht, ob
ich mit dem Leben davonkommen würde.«
»Gut. Und Sie sagen, die Polizei von Oldham glaubt, Sie
hätten das Feuer selbst gelegt?«
»Officer White hat mir die größtmöglichen Schwierig
keiten gemacht.«
»Ein Cousin von ihm arbeitete zu meiner Zeit im Büro
des Staatsanwalts. Er ist jetzt Richter und Mitglied im
selben Country Club wie Robs Vater. Fairerweise muss
man sagen, dass er immer davon überzeugt war, dass
Paulie Stroebel der Täter gewesen ist. Ich bin ziemlich
sicher, dass er derjenige ist, der White gegen Sie aufge
stachelt hat. Diese Website ist eine riesige Provokation für
jeden, der mit den Westerfields gut steht.«
»Das sehe ich als Erfolg an.«
Ich schaute mich um, um sicherzugehen, dass niemand
uns zuhörte. »Marcus …«
»Ellie, ist Ihnen bewusst, dass Sie sich andauernd im
Lokal umsehen? Suchen Sie jemanden?«
Ich erzählte ihm von der Begegnung mit Rob
Westerfield im Gasthaus. »Er kreuzte erst auf, als ich fast
fertig mit dem Essen war«, sagte ich. »Ich bin sicher, dass
ihn jemand angerufen und ihm einen Tipp gegeben hat.«
Ich ahnte, dass Marcus mich als Nächstes ermahnen
würde, vorsichtig zu sein, oder mich bitten würde, keine
weiteren brisanten Dinge auf der Website zu
veröffentlichen. Ich ließ es nicht so weit kommen.
»Marcus, ich habe einen Anruf von jemandem bekom
men, der mit Rob zusammen im Gefängnis war.« Ich
erzählte ihm, dass der Anrufer eine Geldsumme für seine
Information verlangt hatte, und berichtete dann von dem
gestrigen Anruf.
Er hörte schweigend zu und sah mir dabei aufmerksam
in die Augen.
Dann fragte er: »Und Sie glauben diesem Kerl,
stimmt’s?«
»Marcus, am Anfang habe ich damit gerechnet, dass mir
jemand nur eine Geschichte erzählt, um mir fünftausend
Dollar aus der Tasche zu ziehen. Aber gestern – das war
etwas anderes. Dieser Typ hatte Angst um sein Leben. Er
hat mir den Namen verraten, weil er sich an Westerfield
rächen wollte.«
»Sie haben gesagt, dass er sich auf das Schild bezogen
hat, das Sie vor dem Gefängnis getragen haben.«
»Ja.«
»Sie gehen davon aus, dass es ein ehemaliger Häftling
ist und dass er am selben Tag entlassen worden ist. Sie
waren doch nur einen Tag dort, ist das richtig?«
»Ja, das ist richtig.«
»Ellie, dieser Typ könnte auch ein Angestellter sein, der
in das Gefängnis rein- oder rausging, während Sie draußen
standen. Mit Geld kann man sich nicht nur Gefälligkeiten
von anderen Gefangenen kaufen, sondern auch von den
Wärtern.«
Daran hatte ich bisher nicht gedacht. »Ich hatte gehofft,
Sie könnten eine Liste der Gefangenen bekommen, die
einen Tag nach Westerfield entlassen worden sind. Dann
könnte man nachprüfen, ob einem von ihnen irgendetwas
zugestoßen ist.«
»Das werde ich tun. Ellie, Sie sind sich schon darüber im
Klaren, dass es sich auch um einen Spinner handeln kann,
der nur mit Ihnen spielt?«
»Ich weiß, aber daran glaube ich nicht.« Ich zückte mein
Notizbuch. »Ich habe eine Liste von allen Schulen
aufgestellt, die Rob Westerfield besucht hat, sowohl hier
als auch in England, dazu noch die Orte, wo die Familie
Häuser besitzt. Es gibt bestimmt Datenbanken, in denen
man ungeklärte Mordfälle heraussuchen kann, die sich vor
zweiundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahren ereignet
haben.«
»Ja, natürlich.«
»Gibt es eine für Westchester County?«
»Ja.«
»Haben Sie Zugang zu den Daten, oder können Sie
jemand anderen damit beauftragen?«
»Ja.«
»Dann dürfte es
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