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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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FENSTER und sah hinaus, den Rücken
mir zugewandt. Er war gut ein Meter neunzig, größer, als
ich gedacht hatte, als ich ihn im Fernsehen gesehen hatte.
Er trug khakifarbene Hosen, Turnschuhe und sein
Schulsakko. Er hatte die Hände in den Hosentaschen
vergraben und tippte mit dem rechten Fuß. Ich hatte den
Eindruck, dass er nervös war.
    Er musste meine Schritte gehört haben, denn er wandte
sich um. Wir sahen einander an.
»Du wirst sie nie verleugnen können«, pflegte meine
Großmutter scherzhaft zu meiner Mutter über Andrea zu
sagen. »Sie wird zu einem Ebenbild von dir heran
wachsen.«
Wenn sie zugegen gewesen wäre, hätte sie dasselbe über
uns sagen können. Zumindest dem Aussehen nach würden
wir einander nie verleugnen können.
»Hallo, Ellie. Ich bin dein Bruder, Teddy.« Er kam mir
entgegen, die Hand ausgestreckt.
Ich ignorierte sie.
»Kann ich dich ganz kurz sprechen?« Seine Stimme
hatte noch keine männliche Tiefe, aber sie klang gut.
Seine Miene hatte etwas Besorgtes, zugleich aber
Entschlossenes.
Ich schüttelte den Kopf und wandte mich zum Gehen.
»Du bist meine Schwester«, sagte er. »Du könntest mir
wenigstens fünf Minuten zugestehen. Vielleicht würdest
du mich sogar mögen, wenn du mich näher kennen
lernst.«
Ich drehte mich zu ihm um. »Teddy, du bist sicherlich
ein netter junger Mann, aber ganz bestimmt hast du etwas
Besseres zu tun, als deine Zeit mit mir zu verschwenden.
Ich weiß, dass dein Vater dich hergeschickt hat. Er will
einfach nicht verstehen, dass ich nie mehr wieder etwas
von ihm hören oder sehen will.«
»Er ist auch dein Vater. Ob du es glaubst oder nicht, er
hat nie aufgehört, dein Vater zu sein. Er hat mich nicht
geschickt. Er weiß gar nicht, dass ich hier bin. Ich bin
hergekommen, weil ich dich kennen lernen wollte. Ich
wollte dich immer schon kennen lernen.«
Es lag etwas Appellierendes in seiner Stimme. »Könnten
wir nicht kurz ein Glas Wasser oder irgendwas anderes
zusammen trinken?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Bitte, Ellie.«
Vielleicht war es die Art, wie er meinen Namen sagte,
oder weil es mir einfach allgemein schwer fällt, grob und
kaltschnäuzig zu sein. Dieser Junge hatte mir nichts getan.
Ich hörte mich sagen: »In der Eingangshalle steht ein
Getränkeautomat.« Ich begann, nach meinem Geldbeutel
zu kramen.
»Lass nur. Was möchtest du?«
»Einfach Wasser, kein Sprudel.«
»Ich auch. Ich bin gleich wieder da.« Sein Lächeln war
schüchtern und erleichtert zugleich.
Ich nahm auf einem hell gemusterten s-förmigen
Korbsofa Platz und suchte nach einer Möglichkeit, ihn so
bald wie möglich wieder loszuwerden. Ich hatte nicht die
geringste Lust, mir einen Sermon darüber anzuhören, was
für einen großartigen Vater wir hätten und dass ich die
Vergangenheit ruhen lassen sollte.
Vielleicht war er wirklich ein großartiger Vater für zwei
seiner Kinder, für Andrea und für dich, dachte ich, aber
mich hat er wohl versehentlich übersehen.
Teddy kam mit zwei Flaschen Mineralwasser zurück.
Ich erriet seine Gedanken, als seine Augen zwischen Sofa
und Sessel hin und her wanderten. Er traf die richtige
Entscheidung und wählte den Sessel. Ich hätte nicht
gewollt, dass er so dicht bei mir säße. Fleisch von meinem
Fleisch, Knochen von meinem Knochen, ging mir durch
den Kopf. Nein, das bezieht sich auf Adam und Eva, nicht
auf Geschwister.
Halbgeschwister.
»Ellie, hättest du einmal Lust, bei einem Basketballspiel
zuzuschauen?«
Es war nicht gerade das, was ich erwartet hatte.
»Ich meine, können wir nicht einfach Freunde sein? Ich
habe immer gehofft, du würdest uns irgendwann
besuchen, aber wenn du das nicht willst, dann könnten wir
uns vielleicht einfach gelegentlich treffen, du und ich. Ich
hab letztes Jahr dein Buch gelesen, über diese Fälle, die du
bearbeitet hast. Es hat mir sehr gefallen. Ich würde mich
gerne mit dir darüber unterhalten.«
»Teddy, im Moment bin ich wahnsinnig beschäftigt, und
…«
Er unterbrach mich: »Jeden Tag lese ich deine Website.
So, wie du über Westerfield schreibst, muss ihn das zur
Weißglut reizen. Ellie, du bist meine Schwester, und ich
will nicht, dass dir etwas zustößt.«
Ich wollte sagen: »Bitte nenn mich nicht deine
Schwester«, aber die Worte erstarben mir auf den Lippen.
Stattdessen sagte ich: »Bitte mach dir keine Sorgen um
mich. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
»Kann ich dir nicht helfen? Heute Morgen habe ich in
der Zeitung

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