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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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Kopfhörer.« Raj legte Allie den kleinen, silbernen Apparat auf die Fingerspitzen, und sie steckte ihn vorsichtig in ihr Ohr.
    Es fühlte sich kühl an auf ihrer empfindlichen Haut. Sie zitterte. »Fällt das nicht gleich wieder raus?«
    Sie fummelte daran herum, bis sie das Gefühl hatte, dass es passte. »Ich glaube, jetzt sitzt es.«
    »Und das ist das Mikrofon dazu«, sagte Raj. Er zeigte auf ein kaum stecknadelkopfgroßes Stück Plastik. »Hier. Beug dich mal vor.«
    Sie tat, wie ihr geheißen, und er heftete ihr das Mikro an den Kragen ihrer Jacke, direkt unter dem Kinn. Sie reckte den Hals, um es sich anzuschauen – doch es war unsichtbar.
    Raj steckte sich die Hörmuschel ins Ohr. »Sag mal was.«
    Sie zuckte zusammen, als seine Stimme aus dem Apparat in ihrem Ohr schallte. »Boah. Das ist viel zu laut.«
    »Das liegt daran, dass ich fast neben dir stehe. Der Sender ist nicht besonders stark – sobald du das Gebäude verlässt, wirst du meine Stimme nur noch schwach hören, aber du müsstest eigentlich überall Verbindung zu mir haben.«
    Allie biss sich auf die Lippe und nickte. Sie standen am Ende des Gangs, in der Nähe der Treppe, die hinaus aufs Schulgelände führte. In den letzten paar Monaten war sie bestimmt hundert Mal mit den anderen Night-Schoolern durch diese Tür gegangen. Sie kannte den Weg im Schlaf. Sie wusste, wo es hinging und was sie zu tun hatte. Sie war bereit.
    Und dennoch hatte sie noch nie eine derartige Angst gehabt.
    Als ob er es ihr angesehen hätte, fasste Raj sie bei den Schultern. Er senkte die Stimme, damit die anderen ihn nicht hören konnten. »Bist du dir sicher, dass du das durchziehen willst?«
    Allie dachte an Rachel, wie sie in der Bibliothek saß und sich über ihre Chemiebücher beugte. Wie ihre Brille dabei langsam den Nasenrücken hinunterrutschte. Wie sie den Kopf zurückwarf, um über einen von Allies schlechten Witzen zu lachen. Wie sie seelenruhig den Aufbau der komplexesten Moleküle erklärte. Und in Allies Zimmer gerannt kam, wenn Allie gerade schreiend aus einem Albtraum erwacht war.
    Wie sie verängstigt dastand, ihr das Blut den Arm herabrann und Gabe anstarrte, der ein Messer in der Hand hatte.
    Allie reckte das Kinn und sah Raj wild entschlossen an. Mochte sie auch Angst haben – kneifen würde sie ganz bestimmt nicht. Das war die Chance, sich die Schweine vorzuknöpfen, die Jo getötet hatten – die schöne, fröhliche, herrlich verrückte Jo. Und die jetzt auch noch Rachel umbringen wollten.
    Sie waren alle nur Bauernopfer in Nathaniels Spiel.
    Allie hatte es satt, eine Schachfigur zu sein.
    »Ich bin bereit.«
    So schlicht ihre Worte, so beredsam ihr Ton – Raj fragte kein zweites Mal.
    »Okay«, sagte er und trat einen Schritt zur Seite. Mit Stolz in den Augen betrachtete er sie alle. »Ihr kennt den Plan. Ich weiß, dass ihr das könnt. Also, ab mit euch. Und bringt sie mir zurück.«

[zurück]

Vierunddreißig
    Entschlossen ging Allie durch den Wald, den Blick stets auf den dunklen Pfad vor sich gerichtet. Ihre Sinne waren so wachsam, dass es sich fast anfühlte, als stünden ihr die Haare zu Berge. Sie bebte vor nervöser Erwartung.
    Cool bleiben, Allie
, sagte sie sich.
Du kannst das.
    Sie dachte daran, wie Sylvain sie zum Abschied fest in die Arme geschlossen hatte. Er hatte ihr etwas auf Französisch ins Ohr geflüstert, und obwohl sie nicht wusste, was es bedeutete, meinte sie, es doch sofort verstanden zu haben.
    Du kannst das.
    Die Nacht war still. Das einzige Geräusch war der Tritt ihrer Schritte auf dem weichen Boden, das schnelle Pochen ihres Herzens; ihr Atem. Die anderen mussten irgendwo in der Nähe sein und ihr im Schutz der Bäume folgen. Zu hören war nichts.
    Kein Mond stand am Himmel, und die Sterne wurden von Wolken verdeckt. Die schwere Luft kündigte Regen an. So dunkel war es, dass sie kaum den Pfad vor ihr erkannte, doch die Taschenlampe in ihrer Hand wollte sie auch nicht einschalten, weil sie dann nur noch deren Lichtstrahl gesehen hätte, und mehr nicht. Ihre Augen würden sich schon an die Finsternis gewöhnen.
Nur Geduld.
    Plötzlich stieg der Pfad an und wand sich nun durch felsigeres Gelände.
    »Ich bin jetzt am Hügel«, flüsterte sie in ihren Jackenkragen.
    »Verstanden«, meldete sich Rajs Stimme fest und ruhig in ihrem Ohr.
    Die Beschäftigung mit dem Mikrofonknopf an ihrer Jacke lenkte sie ab und verdrängte die Sorge ein wenig. Lose Steine brachen unter ihren Füßen weg. Ein paarmal kam sie ins

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