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Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)

Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)

Titel: Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Hill
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erlaubt, dir Maß nehmen zu lassen, während du geschlafen hast«, sagte Latour. »Eine unzivilisierte Methode, das gestehe ich ein, für die ich mich entschuldige. Aber die Zeit hat gedrängt, und in deiner jetzigen Kleidung kann man nicht ins Theater gehen, stimmt’s?«
    Frankenstein sah an sich hinab. Er trug noch immer den schweren Pullover und die robuste Arbeitshose, die Magda ihm in einem anderen Leben in Dortmund geschenkt hatte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Zum Glück weiß ich’s«, antwortete der Vampir. »Ich lasse Lionel hier, damit er dir behilflich ist. Du hast eine Viertelstunde Zeit; zwing mich bitte nicht dazu, nochmals heraufzukommen.«
    Dann war Latour wieder fort. Zurück blieb der Diener, der Frankenstein mit professioneller Neutralität und einem warnenden Aufblitzen seiner roten Augen musterte.
    »Können wir anfangen, Monsieur?«, fragte er und zog den Reißverschluss des Lederkoffers auf.
    Zehn Minuten später kam Frankenstein, der sich am Geländer festhalten musste, schwerfällig die breite Wendeltreppe in Latours Haus herunter.
    Obwohl sein nach Maß gefertigter Smoking ausgezeichnet saß, fühlte er sich darin schrecklich unbehaglich, zupfte an den Manschetten herum und schüttelte die Füße, damit der Hosensaum genau richtig auf den spiegelblanken Schuhen aufsaß. Aus der offenen Tür des großen Salons im Ostflügel kam klassische Musik, auf die er jetzt zuhielt.
    Latour lag mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf dem blassen Gesicht auf einer Chaiselongue an der Rückwand des Salons. In einer Hand hielt er eine der dunkelroten Zigaretten, deren Tabak mit einer Mischung aus Heroin und Menschenblut versetzt war, wie er Frankenstein schon mehrmals erklärt hatte. Die freie Hand bewegte er, als dirigiere er die Musik, die aus der eleganten schwarzen Stereoanlage in einer Ecke des Salons kam.
    »Chopins Nocturnes, Opus 27 «, sagte Latour, ohne die Augen zu öffnen. Er hatte die schwerfällig unbeholfenen Schritte des Monsters gehört, seit Frankenstein drei Geschosse höher die Treppe betreten hatte. »Einst dein Lieblingsstück. Aber das weißt du wohl nicht mehr?«
    »Du weißt, dass ich’s nicht weiß«, erwiderte Frankenstein. »Ich kann mich an nichts erinnern, warum sollte’s bei einem Musikstück anders sein?«
    »Musik kann die Seele erheben«, sagte Latour. Er schwang seine langen Beine elegant von der Chaiselongue, setzte sich auf und sah Frankenstein an. »Selbst eine so dunkle und konfuse Seele wie deine. Aber das überrascht mich in der Tat nicht; ich habe wie immer nur Mitleid mit dir.«
    Zum Teufel mit deinem Mitleid, dachte Frankenstein.
    Latour trat an die Bar zwischen den beiden hohen Fenstertüren des Salons. Die Sonne war längst untergegangen, und der Nachthimmel leuchtete vom Widerschein des nächtlichen Paris. Der Vampir füllte zwei Gläser mit einer klaren Flüssigkeit aus einem silbernen Cocktailshaker, nahm sie in die Hände und kam damit durch den Salon zurückgeschwebt. Ein Glas gab er Frankenstein, das andere hob er, um einen Trinkspruch auszubringen.
    »Auf Erfahrung«, sagte er halblaut. »Auf die Summe eines Lebens, im Guten wie im Bösen.«
    Frankenstein hob sein Glas, zögerte einen Augenblick und versuchte dann einen kleinen Schluck. Der Cocktail schmeckte scharf und bitter; er brannte ihm auf der Zunge.
    »Was ist das?«, fragte er und hatte Mühe, nicht zu husten.
    »Das ist ein Martini«, antwortete Latour. »Den hast du früher gern getrunken. Ich dachte, er könnte … oh, schon gut.«
    Danach entstand eine lange Pause. Frankenstein, der Latour aufmerksam beobachtete, hatte die Grimasse gesehen, die der Vampir einen Augenblick lang geschnitten hatte, als er gefragt hatte, was dieser Drink sei. Zum Teil sprach daraus Verlegenheit, das wusste er: Der Vampir war ein Epikuräer, ein Freund verfeinerter Genüsse, und diese Frage hatte ihm Unbehagen bereitet. Sie erinnerte ihn peinlich daran, dass es Leute gab, die nicht wussten, was ein Martini war, auch wenn er sich größte Mühe gab, ihnen möglichst nicht zu begegnen.
    Aber darin lag noch mehr: Enttäuschung, auch Traurigkeit und eine tiefere Regung, die Frankenstein deutlich fühlte. Latours wiederholte Versuche, sein Gedächtnis wieder anzustoßen, indem er ihn mit vertrauten Gegenständen und Empfindungen aus der Vergangenheit konfrontierte, dienten dem Vampir nicht nur zur Unterhaltung; sie waren ernsthafte Versuche Latours, seinen Freund zurückzugewinnen – einen Mann,

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