Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)

passiert.
    Meiner ersten Schätzung nach hatte die Leiche schon mehrere Monate in der Höhle gelegen und war stark verwest; aber plötzlich wuchsen aus der verbliebenen Haut dicke schwarze Haare, grob wie ein Tierfell. Das bilde ich mir nicht etwa nur ein! Ich war um diese Zeit leider allein, und als ich meiner Assistentin heute Morgen dieses Phänomen zeigen wollte, war es verschwunden. Ich habe wirklich keine Erklärung dafür; vielleicht war es irgendeine anomale Hautstimulation oder eine genetische Veranlagung, die mir bisher nie untergekommen ist.
    Ich halte diese Erscheinung für nicht weiter bedeutend, aber ich wollte sie Dir für den Fall, dass sie bei der Identifizierung nützlich sein könnte, trotzdem mitteilen.
    Wir sehen uns am Sonntag – Abschlag ist um 7.45 Uhr. Grüße an Judy.
    Marcus
    Jamie las die kurze Mitteilung zweimal, dann sah er zu dem Direktor auf.
    »Woher stammt dieses Memorandum?«, fragte er.
    »Der nördliche Außenposten hat es abgefangen«, sagte Admiral Seward. »Es ist dreieinhalb Wochen alt. Es ist routinemäßig hergeschickt worden, und der Nachrichtendienst hat es rausgefischt.«
    »Weshalb?«, fragte Jamie. Er war verwirrt; er begriff nicht, wieso der Direktor gewollt hatte, dass er diese kurze, freundschaftliche Mitteilung las.
    »Vor dreieinhalb Wochen war der letzte Vollmond«, antwortete Seward. »Und Bamburgh liegt ungefähr fünf Meilen nördlich von Lindisfarne.«
    Jamie ging endlich ein Licht auf.
    »O Gott«, flüsterte er. »Das war der Werwolf, nicht wahr? Der mit Frankenstein von der Klippe gestürzt ist.«
    »Das vermuten wir«, bestätigte Admiral Seward. »Ich habe ein Team hingeschickt, um die Leiche holen zu lassen. Es sollte in weniger als einer Stunde zurück sein. Unser Labor müsste feststellen können, ob es sich tatsächlich um einen Werwolf handelt.«
    »Er hat noch gelebt, als er von der Klippe gestürzt ist«, sagte Jamie mit zitternder Stimme. »Er hat bis ins Wasser hinunter geheult. Ich habe ihn gehört, Sir.«
    »Ich weiß«, antwortete Seward. »Ich habe Ihre Aussage gelesen – und die der anderen Überlebenden.«
    »Also ist er nach dem Sturz verendet«, sagte Jamie. Er arbeitete die Informationen methodisch auf, um nicht vorschnell zu dem Schluss zu gelangen, der sich ihm aufdrängte. »Weil Menschenhände ihm das Genick gebrochen haben. Hände, die groß und stark genug waren, um ihm die Luftröhre zu zerquetschen.«
    »So scheint’s gewesen zu sein.«
    »Das bedeutet, dass Frankenstein den Sturz überlebt hat«, sagte Jamie langsam. »Er hat im Wasser noch gelebt und war noch stark genug, um dem Werwolf das Genick zu brechen.«
    »Das ist wahrscheinlich.«
    Ungeheure Erleichterung durchflutete Jamie. Dieses Gefühl war so stark, dass er weiche Knie bekam und einen Augenblick lang fürchtete, er könnte ohnmächtig werden. Er spürte, dass ihm Tränen kamen.
    »Er könnte noch leben«, flüsterte Jamie. »Das wollen Sie mir mitteilen, nicht wahr, Sir? Frankenstein könnte noch leben.«
    Seward starrte ihn sekundenlang schweigend an, dann nickte er langsam.

36
Auf der Suche nach einer Vision,
Teil I
    Hopi-Reservation, nordöstliches Arizona
Vier Tage zuvor
    Der Mann, der sich Robert Smith nannte, machte einen Augenblick halt, schwankte in der Hitze der unbarmherzigen Wüstensonne. Er fühlte sich plötzlich schwindlig, aber dieses Gefühl schwand so rasch wieder, wie es gekommen war. Er trank langsam einen großen Schluck aus der Wasserflasche an seinem Gürtel, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und setzte den steilen Aufstieg zur Mesa hinauf fort.
    Das braune Geröll rutschte unter seinen Füßen weg, kollerte mit sanftem Geräusch wie fließendes Wasser zu Tal. Hohe Gräser, ihre Blätter braun und rissig wie alte Haut, sprossen in dichten Klumpen aus dem trockenen Boden, und er schlängelte sich vorsichtig zwischen ihnen hindurch, überlegte jedes Mal, wohin er den Fuß setzte, und vergewisserte sich, dass er gut stand, bevor er den nächsten Schritt tat. Langsam und umsichtig bewältigte er den letzten Anstieg und erreichte das Plateau des Tafelbergs.
    Vor ihm am Rand der Hochebene erhob sich still eine der ältesten bewohnten Siedlungen der Welt: ein fast tausend Jahre altes Hopidorf.
    Old Oraibi. Hier werde ich Antworten finden.
    In Salt Lake City hatte Smith einen Piloten dafür bezahlt, dass er ihn zum Polacca Airport flog, einem kleinen Flugplatz mit einer Asphaltbahn entlang einer einzelnen Wohnwagenreihe mitten in