Department 19 - Die Wiederkehr: Thriller (German Edition)
Das riesige Schiff verlor rasch an Fahrt, während es sich der langen Werftpier annäherte.
»Los jetzt!«, zischte Jack, und die sechs Agenten stoben auseinander, rannten tief gebückt zu den von Jamie festgelegten Stellungen. Dann hob Larissa plötzlich den Kopf und horchte nach Norden, weil ihr übernatürlich scharfes Gehör etwas in der dunklen, feuchten Nachtluft wahrnahm.
»Was hörst du?«, fragte Jamie flüsternd. Er lehnte mit dem Rücken an der Ecke des Containers, der dem Kai am nächsten stand, und beobachtete das anlegende Schiff. Seine Größe überstieg alle Vorstellungen: Das Oberdeck war so lang wie ein Fußballfeld, der Rumpf bildete eine mächtige senkrechte Stahlwand, die Aufbauten mit der Kommandobrücke hatten die Größe eines Verwaltungsgebäudes. Die Annäherung der Aristeia vollzog sich unheimlich lautlos; er konnte weder Stimmen noch irgendwelche Aktivitäten an Deck hören. Das einzige Geräusch war das gleichmäßige Stampfen der Schiffsmaschine.
»Lastwagen«, antwortete Larissa. Sie drehte sich nach ihm um. »Drei Fahrzeuge, die schon auf dem Gelände und hierher unterwegs sind.«
»Irgendeine Idee, ob sie etwas transportieren?«, fragte Jamie.
Larissa nickte.
»Vampire«, antwortete sie. »Jede Menge Vampire.«
12
Weiter im Nichts
Mannis Truckerstopp, nördlich von Köln
Sieben Wochen zuvor
Frankenstein wurde wachgerüttelt, als der Sattelschlepper ruckelnd zum Stehen kam. Er öffnete die Augen und sah zu Andreas am Steuer hinüber. Dieser hagere Junge, der auf Speed war, hatte ihn von Dortmund aus mitgenommen.
»Hier ist Schluss für mich«, sagte Andreas. Er zuckte ständig nervös und kaute seine Fingernägel ab, bis sie bluteten, aber er hatte sich bei einem Tankstopp einen Thermosbehälter Suppe und einen Kanten Schwarzbrot mit Frankenstein geteilt. Dafür und dass er ihn mitgenommen hatte, war das Monster dankbar.
»Schon gut«, sagte Frankenstein. »Danke fürs Mitnehmen bis hierher.«
Er schob eine graugrüne Hand unter der dünnen Wolldecke hervor, die die freundliche Frau im Obdachlosenasyl ihm geschenkt hatte, und streckte sie Andreas hin, der sie schüttelte. Dann wickelte er sich wieder eng in die Decke, nahm die Plastiktüte mit, die alles enthielt, was er besaß, und stieg in die eiskalte Nacht aus.
Frankenstein war vor vier Wochen an Bord eines Fischkutters zu sich gekommen, ohne die geringste Ahnung zu haben, wer er war. Als der Kapitän, ein von Wind und Wetter gegerbter alter Seebär namens Jens, ihn nach seinem Namen gefragt hatte, hatte er keine Antwort geben können. Auf weitere Fragen nach seinem Wohnort, nach Angehörigen oder Freunden und weshalb er in der Nordsee treibend aufgefunden worden war – ohne den kleinen Finger der linken Hand und mit einer Wunde am Hals, die ihn das Leben hätte kosten müssen –, reagierte er immer gleich: mit ängstlich verwirrtem Gesichtsausdruck. Er hatte auf dem Boden der Kajüte gelegen, weil er für die Kojen der Fischer zu groß war, und versucht, sich an etwas, an irgendetwas zu erinnern, an einen Ort, an dem er gewesen war, ein Gespräch, das er geführt hatte, einen Menschen, den er gekannt hatte, aber wo sein Gedächtnis hätte sein sollen, gähnte nur ein großes Loch.
Die Unterkühlung, an der er fast gestorben war, hatte ihn geschwächt; er wäre an ihr gestorben, hätte die Besatzung der Furchtlos ihn nicht in ihr Netz verwickelt entdeckt, als sie es auf dieser Reise erstmals einholte. Das in regelmäßigen Abständen mit orangeroten Bojen besetzte Netz hatte ihn über Wasser gehalten, sodass er nicht ertrunken war. Seine Uniform als Angehöriger des Departments 19 bestand aus einem Thermogewebe, das wie ein Nasstaucheranzug funktionierte und ihm das Überleben in der um diese Jahreszeit eiskalten Nordsee ermöglicht hatte; ohne sie hätten die Fischer eine Leiche aus dem Meer geborgen.
In Gesprächen mit Besatzungsmitgliedern während der kräftigen Mahlzeiten entdeckte er, dass er Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch sprach, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, jemals in den dazugehörigen Ländern gewesen zu sein, Am liebsten sprach er mit Hans, dem Steuermann der Furchtlos , einem ergrauten Veteran, der seit über fünfzig Jahren zur See fuhr. Wenn Frankenstein den alten Mann von Orten, an denen er gewesen, von Frauen, die er gekannt, und von seinen Jugendabenteuern erzählen hörte, hatte er manchmal das Gefühl, sein Verstand stelle Verknüpfungen her, die fast mit Händen
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