Depeche Mode
sein Freund bin. Jetzt muß man diesen ganzen Kram nur noch jemandem verkaufen. Im Prinzip – denkt Wasja – könnte man das alles an Bootsmann verkaufen, die Dumpfbacke würde es nehmen. Aber Bootsmann ist ja mit von der Partie. Man könnte es an Kakao verkaufen, auch eine Dumpfbacke und nicht mit von der Partie. Aber Kakao ist nicht nur nicht mit von der Partie – er ist überhaupt verschwunden, schon seit ein paar Tagen hat ihn keiner gesehen. Da fällt jemandem Wacha ein, richtig – sagt Wasja, – Wacha ist Georgier, Georgier lieben optische Geräte, stimmt's? – fragt unsicher einer aus der Gruppe, aber natürlich, – sagt Wasja, – natürlich: alle Georgier lieben optische Geräte, und sie gehen zu Wacha, finden ihn in einem der Kioske und sagen so was wie Wacha, brauchst du nicht vielleicht ein paar optische Geräte?
Aber Wacha kommt an diesem kühlen Junimorgen nicht ganz klar mit seinem Schädel, steckt bis über die Ohren im eigenen Cannabis, das er seit gestern abend im eigenen Kiosk zusammen mit seinen Leibeigenen raucht, also kriegt Wacha Angst, was für optische Geräte, Chef? – fragt er, – warum optische Geräte? Wasja holt aus einer Plastiktüte das alte Fernglas ohne Riemen und den fast unbenutzten Fotoapparat »FED-5« in knarzender Lederhülle, hier, sagt er zu Wacha, nimm, wirst es nicht bereuen, gute Ware. Wacha ist die Sache noch zu kitzlig, er verläßt seinen Kiosk nicht, sitzt dort mit den Leibeigenen und beobachtet Wasja durch die Schießscharte, aber Wasja grinst ihn freundlich an und der Rest der Truppe grinst schließlich auch, aber eher angespannt, plötzlich denkt Wacha – fuck, denkt er, fuck, was mach ich denn, wieso bloß sitz ich hier, wieviel Uhr ist es, was stehen da draußen für Arschlöcher, und überhaupt – warum haben sie ein Fernglas?!! Aber irgendwer in seinem Kopf flüstert ihm was ein, also kommt er schließlich raus und nimmt das optische Gerät in seine ungelenken Hände, man führt ihn zur Seite, damit er was zum Betrachten hat, die Straße ist leer, die Luft um die Kioske duftet nach Cannabis und Regen, Wacha schaut durch das Fernglas und betrachtet mit heiligem Schauder den stillen Parkplatz, die Endhaltestelle des Achtunddreißigers, die paar Nutten an der Kreuzung und weiter im Kreis – den Rohbau des Hochhauses, das von Knastis gebaut wird, die sozialistisch abgefuckte Kaufhalle, die Zwanziger-Straßenbahn, die irgendwo aus dem Morast hervorkriecht, und als er sich so einmal um die eigene Achse gedreht hat, stößt sein bewaffnetes Auge plötzlich auf den eigenen Kiosk, und vor seinem nebelverhangenen Blick ersteht plötzlich ganz klar die Aufschrift »Wacha Ltd.«, Schwanz und Gloria, denkt er, das bin ja ich, und das macht ihn endgültig high …
Nachdem sie die optischen Geräte verkauft und eine für ihre bescheidenen Verhältnisse ansehnliche Summe auf die Hand bekommen haben, erstehen die Freunde an Ort und Stelle, über den Körper des halb ohnmächtigen Wacha hinweg, bei seinen Leibeigenen zwei Literflaschen Kaiser-Wodka und fahren direkt zum Bahnhof, um den ersten Zug in die Stadt Belgorod zu nehmen, sie sind irgendwie aufgedreht und laut, inmitten des duftenden Sommermorgens, unter den frischen Himmeln, verzweifelt auf der Suche nach Zerstreuung und Abenteuer, von weitem sehen sie wirklich aus wie Wanderer oder sogar wie Wallfahrer, die zur ruhmreichen russischen Stadt Belgorod wallfahren und nichts Überflüssiges bei sich tragen als zwei Literflaschen Kaiser und ihre Studentenausweise, und wenn man bedenkt, daß sie den Kaiser bis Belgorod austrinken, dann überhaupt nichts Überflüssiges, echte Wallfahrer eben.
11.00
In Belgorod beschließen sie, sich zuerst die Stadt anzuschauen, mal sehen, wie die Leute hier leben, dann zu kaufen, was ihnen zusteht, und mit dem Abendzug heimzufahren, Zeit haben sie mehr als genug, kein Grund zur Eile, also verlassen sie den versifften Bahnhof der Stadt russischen Ruhms und stoßen direkt auf ein Geschäft mit einer großen Menge Alkohol im Angebot. Scheiß drauf, in diesem Belgorod gibt's eh nichts zu sehen, – sagt Wasja und betritt das Geschäft. Keiner widerspricht.
»Was bekommt ihr, Söhnchen?« – fragt die Verkäuferin. »Mütterchen, Mütterchen, – spricht Wasja Kommunist, – Wodka«. »Wieviel?«, – fragt die Verkäuferin. »Zwei«, sagt Wasja. »Flaschen?« – fragt sie geschäftig. »Kisten«, – sagt Wasja. »Seid ihr, meine Söhnchen, denn auch schon über sechzehn?«
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