Der 13. Brief
nach dem nächsten Kandidaten Ausschau gehalten.
Danner passte in keine meiner Kategorien.
Aber allmählich wurde es Zeit, mir einzugestehen, dass er mich anmachte. Mit jedem Blick, jeder Bewegung, sogar wenn er mich anbrüllte.
Wieso ausgerechnet er?
Selbst der weiße Hai besaß ein weiter entwickeltes Sozialverhalten als er. Er war arrogant, nicht bindungsfähig und fast doppelt so alt wie ich.
Es war ein Witz, dass ich überhaupt darüber nachdachte!
Doch seine Wärme an meinem Rücken konnte ich nicht ignorieren. Sie übertrug sich auf mich, breitete sich aus, strömte zwischen meine Beine. Ich spürte meinen Körper so deutlich, dass es mich berauschte, beinahe süchtig machte.
Normalerweise fühlte ich eher wenig.
Fast nichts.
Ein paarmal hatte ich mir sogar ein Messer in den Handballen oder den Oberschenkel gestochen, nur um zu prüfen, ob es schmerzte. Natürlich machte ich das nicht oft, ich wusste ja, dass das total krank war. Aber als ich zum Beispiel damals meinen gebrochenen Kiefer nicht bemerkt hatte, hatte ich einfach kontrollieren müssen, ob mir überhaupt noch irgendetwas wehtun konnte.
Danner wurde mir gefährlich. Ich musste vorsichtig sein.
Doch jetzt schloss ich die Augen und genoss einfach das irritierende Gefühl, ihn so überdeutlich neben mir zu spüren.
32.
Das Klopfen an der Tür klang dumpf und weit entfernt.
Ich öffnete ein Auge.
Das Erste, was ich erkennen konnte, war die Zimmerdecke und ein aufgebauschtes Federbett. Das Zweite war Danners Arm auf meinem Bauch.
»Sechs Uhr!«, brummte Danner wütend. »Wenn das Molle ist, fliegt er rückwärts die Treppe wieder runter.«
Er stolperte in Shorts ins Wohnzimmer.
Ich setzte mich auf und versuchte, meinem Gehirn schonend beizubringen, dass ich die Nacht in Danners Bett verbracht hatte.
»Lenny, hast du se noch alle?«, hörte ich Danner draußen schimpfen.
»Ich wollte euch vor der Schule erwischen.«
»Was eine Stunde später auch noch geklappt hätte! Weißt du eigentlich, wie du aussiehst? Hast du geschlafen?«
Staschek ließ etwas hören, was wie ein Knirschen klang.
»Du bist besessen, ist dir das klar?«, stellte Danner fest.
»Hör auf zu motzen, sieh dir das an! O Gott, Lena bringt mich um, wenn sie das erfährt!«
Das klang, als wäre es auch für mich interessant! Ich strampelte die Bettdecke zur Seite, zog mein T-Shirt in die Länge, schlurfte ins Wohnzimmer und setzte mich vor die beiden Männer auf den Couchtisch.
»Hi, Lenny.«
Staschek blieb sein nächstes Wort im Hals stecken. Er hatte tiefe Ringe unter den schönen Augen und sein sonst glänzend weiches Haar ähnelte einer kastanienfarbenen Klobürste.
Mit einem schnellen Griff nahm ich ihm ein zerknicktes Blatt Papier aus der Hand.
»Lenny, du Arsch! Hast du den Verstand verloren, oder was? Das ist aus Lenas Tagebuch!«, fuhr ich ihn an, kaum dass ich zwei Worte gelesen hatte. Lenas runde Mädchenschrift mit den großen, leicht verschnörkelten Buchstaben erkannte ich mittlerweile auf den ersten Blick.
Ich tat, als würde mir erst jetzt auffallen, dass Staschek mich sprachlos anstarrte. »Ist was? Hast du vielleicht einen Schlaganfall oder so?«
»Habe ich Halluzinationen oder bist du eben aus seinem Schlafzimmer gekommen?«, stammelte Staschek.
»Keine voreiligen Schlüsse, bevor du nicht ermittelt hast, Herr Kommissar«, warnte ich ihn.
»Aber du bist aus seinem Schlafzimmer gekommen, oder nicht?«
»Das bin ich, aber das hat nichts zu sagen.«
»Natürlich nicht!«, schnappte er sarkastisch. »Ben hat endlich eingesehen, dass es eine Zumutung ist, dich auf der ollen Couch pennen zu lassen, und hat aus reiner Nächsten-liebe sein Bett mit dir geteilt, nicht wahr?« Er schnauzte eher Danner an als mich.
»So ungefähr«, nickte ich.
Staschek rang hilflos die Hände: »Ich glaube, ich muss dir mal ein paar wichtige Dinge über Männer erzählen, Kind. Und über Ben im Besonderen.«
Ich horchte auf.
Wenn mich eins mehr interessierte als Details aus Lenas oder Evas Leben, dann Details aus dem Leben von Ben Danner!
»Aber gern. Lass uns das gleich erledigen. Solange Ben duscht, können wir schon unten den Kaffee aufsetzen.« In T-Shirt und Unterhose zerrte ich Staschek zur Tür.
Danner drohte Staschek mit seinem Blick einen Mord an: »Ich habe nichts mit ihr, Lenny. Also gibt es auch keinen Grund, ihr irgendeinen Mist zu erzählen, ist das klar?«
Ich schob Staschek schnell aus der Wohnung. Unten in der Kneipe drückte ich den
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