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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Borlik
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wer die Diebe der Engel waren? Vielleicht war er unvorsichtig gewesen und die Verbrecher hatten es gemerkt. Und damit ihm keiner glaubte, waren sie ihm einfach zuvorgekommen und hatten ihn bei der Polizei als Verräter angeschwärzt.
    Amy hob den Kopf. Ihre Augen glänzten. Genau so musste es gewesen sein!
    Jetzt war sie schon mal ein Schritt weiter. Dumm nur, dass sie ihren Vater nicht einfach nach den Dieben fragen konnte. Andererseits war Amy sich sicher, dass er ihr nichts verraten würde, weil er viel zu viel Angst hätte, dass ihr etwas zustoßen könnte. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, an diese Antworten heranzukommen. Sie war Amy während ihres Einkaufs in der Carrodsgasse eingefallen: das Notizbuch ihres Vaters. Darin schrieb er immer alles über seinen neuesten Fall auf. Und da die Polizisten nicht einmal ihr Haus durchsucht hatten, musste es noch dort sein.

    Der Unterricht am Mittwoch war genauso furchtbar wie der an den Tagen davor. Langeweile ohne Ende. Noch schlimmer war, dass Amy sich nach wie vor wie eine Gefangene in Mr Frauds Nähe fühlte. Dass ihre Lektionen vom Morgen bis zum frühen Abend andauerten, sodass ihr kein bisschen Freizeit mehr blieb, verstärkte dieses Gefühl noch. Allmählich kam Amy der Verdacht, dass Tante Hester Mr Fraud nur deshalb eingestellt hatte, damit sie keinen Augenblick des Tages unbeaufsichtigt blieb.
    Ihr war nicht entgangen, dass ihre Tante in den vergangenen Tagen mehr Stunden außer Haus verbracht hatte, als sie bei jemandem wie ihr erwarten würde. Allerdings verlor sie ihrer Nichte gegenüber kein Wort darüber, was sie in dieser Zeit unternahm. Nur einmal hatte Amy zufällig ein Gespräch zwischen Tante Hester und Mr Fraud belauschen können, in dem sie den Hauslehrer darüber informierte, dass sie zu einem wichtigen Besuch zu Lord Winterhall müsse. Amy hatte ihren Ohren zunächst nicht trauen wollen. Lord Winterhall war Erster Minister des Reiches und damit der zweitmächtigste Mann gleich nach dem König. Und ihre Tante war mit ihm befreundet! Wie leicht wäre es da für sie, sich bei ihm für ihren Vater einzusetzen. Aber damit durfte sie bei Tante Hester nicht rechnen.
    Was haben wir ihr nur getan, dass sie uns so sehr hasst?, fragte sich Amy bitter. Dann straffte sie die Schultern und konzentrierte sich wieder auf Mr Frauds Unterricht. Sie war nicht auf die Hilfe ihrer Tante angewiesen, sie würde ihren Vater alleine retten.

    Am Donnerstag war es so weit. Als es mittags zum Nachtisch ein Schüsselchen mit Haferbrei gab, stand Amys Plan fest. Der Brei war so grau und schleimig, dass ihr alleine vom Hinsehen schlecht wurde. Tapfer aß sie ihn auf. Doch kaum hatte sie den letzten Bissen hinuntergewürgt, krümmte sie sich plötzlich vor Schmerzen. »Mir ist schlecht, Mr Fraud«, stöhnte sie und schlang die Arme um den Bauch.
    Mr Fraud zog eine Braue hoch. »Bei den Kochkünsten deiner Tante wundert mich das nicht. Vielleicht solltest du dich besser hinlegen.«
    Das ging ja leicht, freute sich Amy, als Mr Fraud das Zimmer verließ, um Tante Hester zu holen. Die war jedoch überhaupt nicht begeistert von der Neuigkeit. »Das geht sicher ganz schnell wieder vorbei«, sagte sie gereizt.
    »Es … es tut so weh«, widersprach Amy mit schmerzverzerrter Miene. »Au! Aua!«
    Tante Hester musterte sie mit einem durchdringenden Blick. Amy rechnete bereits fest damit, dass sie ihr Theater durchschaut hatte, als ihre Tante ein genervt klingendes Seufzen von sich gab und grummelte: »Du gehst auf dein Zimmer, wo du für den Rest des Tages bleibst. Und wehe, ich bekomme mit, dass du spielst, anstatt im Bett zu liegen.« Sie wandte sich Mr Fraud zu. »Ihre Dienste werden für heute nicht mehr benötigt. Sie können gehen.«
    Er nickte und verließ den Raum.
    Tante Hester begleitete Amy auf ihr Zimmer, um ganz sicherzugehen, dass sie sich auch wirklich ins Bett legte. Anschließend zog sie die Vorhänge zu und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Selber ein »Gute Besserung!« brachte sie nicht über die Lippen.
    Amy hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als sie unten die Eingangstür zuschlagen hörte. Ihre Tante war also aus dem Haus. Auf diese Gelegenheit hatte Amy gewartet. Rasch zog sie sich an, nahm einen Mantel aus dem Kleiderschrank und eilte nach unten. Die Haustür war abgeschlossen. Davon ließ Amy sich jedoch nicht aufhalten. Sie lief ins Esszimmer und schlüpfte aus einem der Fenster. Im Vorgarten ging sie hinter einem verblühten

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