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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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war. Er hätte sich einige gute Ausreden einfallen lassen müssen, wenn er verhört worden wäre. Ein SS-Mann, gefesselt und eingesperrt in einem Keller von einem Kerl mit Papieren, als deren Herkunft eine Fälscherwerkstatt des NKWD vermutet werden musste. »Ich nehme das in die Hand«, bestätigte Werdin noch einmal. »Sie brauchen sich um nichts zu kümmern.«
    Der Feuerwehrmann bat um eine schriftliche Bestätigung. »Schreiben Sie was auf, und ich unterzeichne es«, sagte Werdin. Der Feuerwehrmann hielt den Vorfall in einem Formular fest, und Werdin unterschrieb mit schmerzender Hand. Niemand würde seine zittrige Unterschrift entziffern können. Dem Feuerwehrmann war es offenbar egal, Hauptsache, er hatte Werdin die Verantwortung zugeschoben.
    »Wie war noch mal Ihr Name?«, fragte der Feuerwehrmann.
    »Schmidt«, sagte Werdin. »Sturmbannführer Schmidt vom Sicherheitsdienst, Leitstelle Magdeburg.«
    »Ist das dort Ihr Wagen?«
    Werdin schaute, wohin der Feuerwehrmann zeigte. Dort stand ein schwarzer Opel mit Berliner Kennzeichen.
    »Nein, aber ich nehme ihn«, sagte Werdin. »Er gehörte ihm.« Er nickte zur Leiche neben der Jauchegrube. Wehling hatte den Wagen mit Sicherheit gestohlen.
    Nachdem die Feuerwehr abgezogen war - Abschied mit Händeschütteln: »Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?« -, warf Werdin Wehlings Leiche in die Jauchegrube. Sie schwamm einige Minuten an der Oberfläche, bis sie endlich blubbernd wegtauchte. Eines Tages würde sie aufgebläht wieder nach oben treiben. Werdin schloss den halb verbrannten Deckel über der Grube. Vielleicht schob irgendwann jemand die Abdeckung von der Jauchegrube und fand Wehlings Reste. Aber wer würde ihn identifizieren können? Und wenn, was machte es aus?
    Die Feuerwehrleute waren froh gewesen, nicht in eine Untersuchung der SS hineinzugeraten. Sie würden lieber mit dem Teufel tafeln, als zur Polizei zu laufen. Eine Jauchegrube war das richtige Grab für einen Auftragsmörder Stalins.
    Er steuerte den Wagen in einen roten Sonnenuntergang, das Licht tat weh in den Augen. Arme und Hände schmerzten. Er stank. Trotzdem wusste er von Anfang an, dass er nach Biesdorf fahren würde. Kurz vor seinem vermeintlich nahen Tod hatte er an nichts und niemanden stärker gedacht als an Irma. Dort war er zu Hause. Das fühlte er genauso wie die Gefahr, dass Irma es anders sehen würde.
    Er umkurvte die Stadt auf dem Berliner Ring. Als es dunkel wurde, fuhr er langsam, manchmal Schritttempo, um Bombentrichtern und Geröll auszuweichen. Die abgeklebten Scheinwerfer beleuchteten die Straße kaum. Der Tagesangriff der Amerikaner hatte die Stadt an manchen Stellen entzündet, das Feuer färbte den Himmel rot, als verlängerte es den Sonnenuntergang. Er überholte eine Kolonne, Selbstfahrlafetten unterwegs nach irgendwo. Immer wenn Werdin Soldaten sah, fragte er sich, wie viele von ihnen am Ende dieses elenden Kriegs noch leben würden. Die Todesanzeigen in den Zeitungen sprachen eine mächtige Sprache. Werdin verließ die Autobahn und nahm die Reichsstraße 1 in Richtung Stadtmitte. Feuerwehr war unterwegs, kleinere Brände loderten aus Hausruinen. Zufallstreffer eines Angriffs, dessen Wucht der Innenstadt gegolten hatte. Angst überfiel ihn. Wenn auch das Haus der Mellenscheidts zerstört war? Er wollte schneller fahren, kam aber nur langsam voran. Absperrungen und Warnschilder wiesen auf Spätzünder hin, ein Bombenangriff war längst nicht beendet, wenn die Flieger umkehrten und ihre Flugplätze in England ansteuerten. Luftminen mit Verzögerungszündern warteten auf ihre Opfer.
    Werdin erkannte erleichtert, das Haus im Kornmandelweg 3a war unzerstört. Er fuhr den Opel einige Straßen weiter, der Wagen sollte nicht vor dem Haus der Mellenscheidts gesehen werden. Sein Besitzer hatte ihn gewiss bei der Polizei als gestohlen gemeldet. Vielleicht konnte Werdin das Auto noch einmal benutzen, er steckte den Schlüssel ein. Er schaute sich um, ob jemand ihn beobachtete. Niemand war zu sehen, es war stockfinster.
    Alle Fenster bei den Mellenscheidts waren verdunkelt. Ob jemand zu Hause war? Er klingelte und wartete ungeduldig. Schritte im Flur, das Schloss wurde geöffnet. Gustav Mellenscheidt öffnete die Tür. Sein Gesicht zeigte Erstaunen, dann Erschrecken.
    »Herr Werdin, wie sehen Sie denn aus?«
    Werdin zuckte mit den Achseln, er war seltsam angespannt. »Guten Abend«, brachte er heraus. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
    »Nein«, sagte Mellenscheidt. »Kommen Sie

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