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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Traurigkeit umzuschlagen. Das hatte dieser Mann nicht verdient. Nach der Begrüßung zog Zacher einen Stuhl zurück und bat sie, Platz zu nehmen. Sie fühlte sich schlecht.
    »Was ist mit Ihnen?«, fragte er. »Sie sehen erschöpft aus.«
    »Nein, das bin ich nicht«, sagte sie.
    Er winkte dem Ober, der seine Kellner scheuchte wie ein Feldwebel. Zacher bestellte für beide, sie wünschte sich Streuselkuchen und war erstaunt, dass es ihn gab.
    Später konnte sie sich nicht mehr genau erinnern, was Zacher erzählt hatte. Er war unaufdringlich, aber deutlich gewesen. Sie gab sich schließlich einen Ruck und glaubte, ihm Ehrlichkeit zu schulden.
    »Ich freue mich, dass Sie mich wieder sehen wollen, Herr von Zacher. Es wird sich bestimmt demnächst wieder eine Gelegenheit dazu ergeben. Aber ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzählen.«
    Zacher hob die Augenbrauen und lächelte dann einladend.
    »Auf dem Platz, auf dem Sie gerade sitzen, saß vor einiger Zeit ein Mann in einer SS-Uniform.«
    Zachers Mimik spiegelte seine Verachtung für den schwarzen Orden und jeden, der ihm angehörte. Für ihn war die WaffenSS, so große Opfer sie an den Fronten auch brachte, eine Ansammlung von Möchtegernsoldaten. Und die so genannte Allgemeine SS betrachtete er als Terroristen.
    »Dieser Mann hat meine Mutter und mich in Schutz genommen bei einer Gestapokontrolle. Seitdem treffen wir uns hin und wieder.« Irma vermied es, Werdins wahre Identität auch nur anzudeuten. Sie ahnte, dass sie einen Fehler machte, wenn sie ehrlich war. Das konnte Werdin gefährden. Sie würde es lernen müssen zu lügen. Das war schwer für jemanden, der schon bei einer kleinen Schwindelei rot wurde. Aber die Wahrheit konnte tödlich sein. Wer in diesen Zeiten nicht zu allem Heil brüllte, musste lügen können. Es begann mit dem Verschweigen.
    Zacher schaute sie ernst an, während sie sprach. Sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, vergeblich.
    »Es ist gut, dass Sie mir das sagen. Sie müssen bitte verstehen, dass ich die SS ablehne. Die Schwarzen haben in Polen und Russland ein Blutbad angerichtet. Wie kann man sich mit so jemandem einlassen?«
    Sein Blick ging einen Moment an ihr vorbei ins Innere des Cafés. »Es geht mich natürlich nichts an. Gewiss gibt es einige wenige anständige Menschen in der Schutzstaffel, ich bin sicher, dass Ihr Bekannter dazugehört. Aber warum geht er dann zur SS, und warum bleibt er dort? Er muss doch wissen, mit wem er sich eingelassen hat. Aber verzeihen Sie, ich dringe in Sie. Betrachten Sie es bitte als Ausdruck meiner Sorge.« »Sie haben Recht, Herr von Zacher. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich würde Sie gerne wieder sehen, wenn Sie es jetzt noch wollen. Meine Eltern würden sich freuen, wenn Sie bald einmal zu Besuch kämen.«
    Zacher blickte ihr eindringlich in die Augen. »Wenn Sie in Not sind, bin ich für Sie da. Gleichgültig, um was es geht. Und ich kann schweigen.« Er nestelte an seiner Brusttasche und holte eine kleine weiße Karte heraus. »Hier finden Sie die Telefonnummern, unter denen Sie mich erreichen können. Wenn ich nicht da bin, hinterlassen Sie unbedingt eine Nachricht. Ich melde mich, so schnell es geht.«
    Irma war einen Moment sprachlos. Sie hatte gefürchtet, Zacher würde wütend das Café verlassen. Sie merkte ihm an, er war enttäuscht. Aber er bot seine Hilfe an. Und er tat es auf eine Weise, die sie glauben ließ, er sei bereit, sich für sie in Gefahr zu begeben. Auch wenn es einem anderen nutzte.
    »Grüßen Sie Ihre Eltern herzlich von mir. Ich nehme die Einladung gerne an. Vielleicht findet sich bald ein Nachmittag, an dem ich Zeit habe. Im Augenblick beschäftigt mich meine Firma über alle Maßen.«
    »Fliegen Sie nicht diesen Strahljäger, von dem alle Leute sprechen?«
    »Habe ich. Das ist erst mal vorbei.«
    »Ich kann Ihnen die Begeisterung ansehen«, sagte Irma lächelnd.
    »Spotten Sie nur. Da kommt noch was ganz Dickes.«
    »Aber darüber dürfen Sie mal wieder nicht reden.«
    Zacher musste grinsen. »Sie haben es erraten.«
    Irma spürte keinen Druck, das Gespräch zu beenden. Sie hatte sich vorgestellt, dass Zacher und sie keine Lust mehr hätten zusammenzusitzen, wenn die Wahrheit heraus war. Aber das stimmte nicht. Irma fühlte sich entspannt und zufrieden. Sie hatte sich entschieden, Zacher verstand es, traurig, aber mit Würde.
    Zacher berichtete von seiner Jugend in Ulm. Wie die Donau über die Ufer getreten war und sie als Kinder Papierschiffe in

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