Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
bald mit der Präzision einer feinmechanischen Maschine. Sie berechneten Flughöhe, Windrichtung und Windstärke und die Luftfeuchtigkeit. Wenn der Flügelbombe nach dem Ausklinken der Auftrieb fehlte, neigte sich ihre schwere Spitze nach unten, und sie raste fast senkrecht auf die Erde hinunter. Sie warfen das Monster immer aus großen Höhen ab, im Einsatz sollte die Gefahr verkleinert werden, dass die Flak sie abschoss. Bald wussten sie, dass sie die Bombe aus dreitausend Meter Höhe mit einer Genauigkeit von schlechtestens fünfhundert Metern ins Ziel werfen konnten. Normalerweise schafften sie einen Trefferradius von zweihundert oder sogar hundert Metern.
    Sie waren die Besten, hervorgegangen aus einer strengen Auslese. Dank stärkerer Motoren und abwerfbarer Zusatztanks war die Heinkel schneller und besaß eine erhöhte Reichweite. Zusätzliche Bord-MGs und Panzerungen an empfindlichen Stellen der Außenhaut verwandelten sie in eine fliegende Festung. Trotzdem sollte sie bei ihrem Einsatz von einer Horde von Jagdflugzeugen beschützt werden. Bei Formationsflugübungen kreisten Deutschlands beste Jagdpiloten um die »Hummel«, wie sie den schwerfälligen Bomber verspotteten. Ein einziger Bomber, umschwirrt von mehr als hundert Jägern, um Himmels willen, was hatten die Führer der Luftwaffe vor? Das fragte sich nicht nur Zacher, sondern alle Piloten und Ingenieure, die am Unternehmen Götterdämmerung beteiligt waren. Wieder so ein bescheuerter Wagner-Name, dachte Zacher. Wahrscheinlich steuerte der Führer in der Hölle diese Wahnsinnsaktion.
    An einem Sonntagnachmittag mussten die Ingenieure die Heinkel warten. Zacher nutzte die freie Zeit, um die Mellenscheidts zu besuchen. Er hatte sich damit abgefunden, dass es Irma zu einem anderen hinzog. Vielleicht dachte sie auch daran, dass Flieger in Deutschland nicht lange lebten. Die Verlustziffern waren enorm, inzwischen auf allen Seiten. Längst war es schwer, Pilotennachwuchs in ausreichender Zahl und Qualifikation auszubilden. Viele überlebten ihren ersten Feindflug nicht. Die Piloten in den Strahljägern hatten mehr Erfolgserlebnisse, aber unverwundbar waren auch sie nicht. Und die hochgezüchteten Maschinen litten immer noch unter Kinderkrankheiten.
    Die Mellenscheidts hatten bisher Glück gehabt. Ihr kleines Haus aus roten Ziegelsteinen in Biesdorf stand unversehrt zwischen Bäumen. Der Schnee hatte Dach und Gipfel weiß gefärbt, am Boden zeugten Krokusse auf weißer Erde vom nahen Frühling.
    »Danke für Ihre freundliche Weihnachtskarte«, sagte Margarete.
    »Wir hätten Ihnen gerne eine Kleinigkeit geschickt. Aber wir wissen ja nicht, wie wir Sie erreichen können.«
    »Mich gibt’s eigentlich gar nicht«, antwortete Zacher lachend.
    »Dafür sehen Sie aber ganz fidel aus«, erwiderte Mellenscheidt.
    Irma kam die Treppe vom ersten Stock herunter. Er hatte es verdrängt, der Schmerz traf ihn erneut, als wäre er frisch.
    »Schön, Sie mal wieder auf dem Boden zu sehen. Sonst scheinen Sie sich nur noch im Himmel herumzutreiben.«
    »Nicht zur Freude unserer Feinde, wie ich annehme«, sagte Mellenscheidt. »Sie holen doch jetzt viel mehr Bomber herunter als früher.«
    »Ich nicht mehr«, sagte Zacher. »Ich sitze im Luftfahrtministerium über Akten. Irgendjemand muss das auch im Krieg tun.«
    Sie setzten sich in die gute Stube.
    Mellenscheidt runzelte die Stirn. »Gibt es dafür nicht genug Invaliden?«
    »Für das, was ich tun muss, leider nicht.«
    »Aha, doch keine gewöhnlichen Akten. Ein Geheimprojekt!«
    »Geheim ist es schon. Aber nicht so aufregend, wie es sich anhört.«
    »Wenigstens kriegsentscheidend.« Mellenscheidt lachte über seinen Scherz.
    »Selbstverständlich«, konterte Zacher. »Wie geht’s im Betrieb?«
    »Na ja, die Schäden vom Angriff in der vorletzten Woche haben wir einigermaßen beseitigt. Jetzt arbeiten wir wieder in drei Schichten. Die Fremdarbeiter werden besser versorgt und leisten mehr. Von Sabotage hört man nichts. Wahrscheinlich haben die das früher in den meisten Fällen erfunden, um Gründe dafür vorweisen zu können, warum die Versorgung der Wehrmacht nicht klappte. Die Herren vom Speer-Ministerium meckern zwar immer noch, ich glaube, die können nicht anders. Aber wir können arbeiten, so viel wir wollen, die anderen sind stärker. Wir haben die innere Front, gewiss, kürzere Versorgungswege. Wenn ich mir vorstelle, dass die Amis alle Ausrüstungen und Waffen über den Atlantik nach Europa schaffen müssen. Und

Weitere Kostenlose Bücher