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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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doch kommen wir nicht hinterher. Man sollte eben nicht Krieg mit dem Rest der Welt anfangen. Erinnern Sie sich noch, Dezember 1941, als der Vormarsch auf Moskau scheiterte und Hitler den Amerikanern den Krieg erklärte?«
    »Ja«, sagte Zacher. »Ich habe das damals nicht weiter beachtet. Die USA waren weit weg. Und militärisch waren sie damals ein Zwerg. Bis sie angefangen haben, Flugzeuge am Fließband zu produzieren.«
    »Meine Firma hatte vor dem Krieg Geschäftsbeziehungen nach Amerika. Werkzeugmaschinen aus Deutschland hatten einen guten Ruf, und wir haben ordentlich verdient, selbst in der Wirtschaftskrise. Seitdem weiß ich, was die für eine ungeheure Wirtschaftsmacht haben.
    Sie sind nicht die besten Ingenieure, aber wenn es um Massenproduktion geht, kann niemand die Amis schlagen. Ich weiß seit Dezember 1941, dass wir den Krieg verlieren werden. Es sei denn, es geschieht ein Wunder. Ein deutschfreundlicher Präsident kommt ans Ruder, oder die Engländer geben auf und nehmen ihren Verbündeten den besten Grund, uns zu bekämpfen. Aber das ist natürlich alles Larifari. Wissen Sie, was unser toller Führer erreicht hat?«
    Zacher schüttelte den Kopf. Er war überrascht von Mellenscheidts Wut und Redefluss.
    »Er hat doch immer gesagt, Deutschland sei das Bollwerk gegen den gottlosen Bolschewismus. Und nun wird der Bolschewismus uns bald fressen. Schuld daran ist niemand anders als Hitler. Der hätte sich an seinen Vertrag mit Stalin halten sollen.«
    Irma und Margarete schwiegen. Zacher vermutete, sie hatten Mellenscheidts Litaneien schon zu oft gehört. Doch er hatte Recht. Die Russen würden bald vor Berlin sein, auch wenn Manstein es teuer für sie machen wird. Im Westen plagen sich die Amerikaner und Engländer mehr mit ihrem Nachschub als mit der Wehrmacht. Sie stehen am Rhein und tun nicht viel. Schon munkelt man in der Bevölkerung, sie würden einen Separatfrieden schließen wollen. Zacher glaubte es nicht. Sie bereiten nur ihre nächste Offensive gründlich vor. In den demokratischen Ländern gibt es schnell Ärger, wenn die Verluste an der Front steigen. In Russland ist das anders, Stalin sind die eigenen Leute egal, so führt er seinen Krieg. Zacher hatte von Kameraden gehört, wie die Führer der Roten Armee Welle um Welle in den Tod schickten, um eine feindliche Stellung zu nehmen. Das war Manstein nur recht.
    Zacher fühlte sich nicht wohl, er durfte den Mellenscheidts nicht erzählen, was er tat. Genau wusste er es selbst nicht. Klar war, dass er eine schwere Bombe irgendwo abwerfen sollte, aber welchem Zweck diente das Unternehmen? Die USA hatten schon Zehn-Tonnen-Bomben abgeworfen, etwa um Brücken zu zerstören. Solch ein Riesenaufwand für eine Brücke?
    Obwohl die Mellenscheidts ihn wie einen Freund aufnahmen, plagte ihn der Schmerz über Irmas Entscheidung. Niemand sprach von dem anderen Mann, wohl weil die Mellenscheidts es als taktlos empfunden hätten. Irma war freundlich, sagte nicht viel, schien aber mit sich im Reinen zu sein. Er war froh, als er am Abend ging. Er war unzufrieden mit sich, wusste aber nicht zu sagen, warum. Er würde wiederkommen und wieder unzufrieden gehen. Wenn er überlebte. Daran zweifelte er. Wer immer die Opfer des Angriffs waren, den er fliegen musste, sie würden sich wehren. Ob im Osten, ob im Westen, Jagdflugzeuge und Flak in unglaublicher Zahl warteten nur auf deutsche Flugzeuge, die es wagten, den eigenen Luftraum zu verlassen.
    ***
    Endlich erhielt Werdin den Befehl, sich in Berlin zurückzumelden. Zuvor sollte er mit Diebner eine Abschlussbesprechung führen, offiziell und mit Protokoll. Der Reichsführer wollte offenbar auch auf diesem Weg sein Bemühen um die deutsche Uranbombe verewigen in den historischen Quellen. Werdin kündigte bei Erna Tauber, sie weinte. Sie hatte nun niemanden mehr, mit dem sie ihre Angst teilen konnte.
    Diebner empfing ihn in seinem Arbeitszimmer. Es stank nach Zigarettenrauch. An einer Tafel standen unverständliche Formeln. Überall Papier, auf einem Tisch eine Kaffeekanne mit zwei Tassen, Zucker, Milch. Diebner hatte schwarze Ringe unter roten Augen. Er war bleich wie einer, der lange im Gefängnis gesessen hatte. Doch er strahlte Willenskraft aus. Er hatte die Primadonnen Heisenberg und Weizsäcker in die Gruppe gezwungen. Er war längst der Herr des Uranvereins, kein brillanter Wissenschaftler wie Heisenberg, aber der beste Organisator und ein Mann mit der Durchsetzungskraft, die einem der Mangel an Zweifeln

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