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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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anderen. Deutschland und die USA waren imperialistische Staaten, wie lange würde es dauern, bis sie ihre Gegensätze zurückstellten, um ihren Hauptfeind, den Kommunismus, zu zerstören? Um diese tödliche Bedrohung auszuschalten, mussten sie den Feinden zuvorkommen. Wir brauchen das Bündnis mit Berlin, dachte Iwanow. Und wenn es nur über Himmler geht, dann soll es so sein.
    Die SS hatte Iwanows Frau getötet. Sie war den Deutschen in Rostow in die Hände gefallen, die verdächtigten sie, Partisanen zu helfen. Sie starb einen elenden Tod an einem Strick, der sie langsam erwürgte. Dann hängten sie ihr ein Plakat um den Hals, auf dem nur das Wort Partisanenhure stand. Iwanow hasste die Deutschen, vor allem die SS. Aber sie hatten keine Wahl. Als Kommunist mühte sich Iwanow, seine Rachegelüste zu ersticken. Und doch wusste er, es würde ihm nie gelingen.
    Jetzt würden sie warten, ob die Deutschen antworteten. Wenn ja, dann musste Grujewitsch Berija berichten. Und Berija hätte zu entscheiden, was weiter geschehen solle. Mit Grujewitsch oder mit den Deutschen.
    ***
    Werner Krause schob die Akte zur Seite und betrachtete die beiden Verhafteten. Sie hatten ein Pärchen erwischt, Wolfgang Niederecker und Heide Wilmuth. Sie gehörten zu der obskuren sozialistischen Oppositionsgruppe Neu Beginnen. Krause staunte immer wieder, wenn ihm Mitglieder oder Flugblätter dieser Gruppe in die Hände fielen. Sie hatten so viele verhaftet, und doch waren diese Besserwisser nicht auszurotten. Er hasste diese Leute nicht, manche fand er sogar intelligent, er unterhielt sich gerne mit ihnen, lieber als mit manchem Holzkopf im eigenen Laden. Wie kann man sich nur für eine aussichtslose Sache opfern?, fragte er sich. Und schmunzelte, denn das verlangte Himmler im Fall des Falles auch von der SS. Wie hieß es: »Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.« Dieses Gelöbnis hatte sich einst auf den Führer bezogen, aber der war seit 44 tot. Himmler hatte nicht das Format, an die Stelle des Führers zu treten. Und dass Himmler immer treu war, bezweifelte Krause. Wofür er einige handfeste Gründe anführen konnte. Vor allem: Hatte nicht die SS den Staatsstreich überhaupt erst möglich gemacht? Und hatte die Gestapo nicht schon lange vor dem Mordanschlag von Stauffenbergs Umsturzplänen gewusst? Kannte sie nicht die Debatten über den Tyrannenmord, die die Verschwörer quälend lang geführt hatten?
    Er würde sich Niederecker und Wilmuth gleich richtig vorknöpfen. Wenn sich, wie zu erwarten war, herausstellte, dass die beiden nichts mit Spionage zu tun hatten, würde er sie der Reichspolizei übergeben. Am Ende stand eine Verurteilung zu fünf bis zehn Jahren wegen staatsfeindlicher Zersetzung. Jeder wusste, wo er endete, wenn er Hetzflugblätter gegen die Regierung verteilte. Wir leben ja gewissermaßen noch im Krieg, dachte Krause. Gemessen daran, gab es in Deutschland viele Freiheiten.
    Es klopfte an der Tür. Krause rief: »Herein!« Ein zufrieden grinsender Schmidtbaum erschien. Er stutzte, als er die beiden Gefangenen sah.
    Krause rief zwei SS-Männer herein und befahl ihnen, Niederecker und Wilmuth in ihre Zellen zu führen. Als die beiden draußen waren, sagte Schmidtbaum mit erregter Stimme: »Wir haben eine Antwort von den Russen, Gruppenführer!«
    »Geben Sie’s her!« Krauses Gesicht rötete sich leicht, er konnte seine Anspannung kaum verbergen.
    Schmidtbaum gab ihm den Meldeblock.
    HABEN FUNKSPRUCH ERHALTEN. WARTEN AUF VORSCHLÄGE. DIREKTOR. Krause las die Nachricht noch einmal: HABEN FUNKSPRUCH ERHALTEN. WARTEN AUF VORSCHLÄGE. DIREKTOR.
    »Sie können gehen, Schmidtbaum«, sagte Krause leise.
    Es hatte geklappt. Die Russen steigen ein, dachte Krause. Aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Und Himmler ist misstrauisch. Vielleicht war ihm diese Antwort zu wenig. Heute würde er es nicht mehr erfahren, und Schellenberg war auf Dienstreise in Prag.
    Krause legte die Akte »Niederecker/Wilmuth« zur Seite. Aus dem rechten Schreibtischschubfach nahm er seine Dienstpistole, eine Walther P 38. Zu Hause im Waffenschrank aus Stahl hing das Vorgängermodell, die wegen ihrer Durchschlagskraft legendäre Luger 08. Mit federndem Schritt eilte Krause die Treppe hinunter. Im Keller verbarg sich hinter schalldichten Wänden ein Schießstand. Wenn Krause nervös war, musste er schießen.
    Im Schießstand war reger Betrieb, hell und trocken knallte es von allen Seiten, scharf roch der Pulverdampf. Krause fand einen freien

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