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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Kraftwerken Kupons wie du?«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber die arbeiten doch auch.«
    »Irgendwann kommt die Zeit ...«
    »... in der die Frösche blau sind«, unterbrach ihn Anna. »Ich bin erst dreiundzwanzig und habe schon die Nase voll von all den Versprechungen. Der Krieg ist lang vorbei, und immer noch ist er an allem schuld.«
    Es stimmte, überall standen Ruinen, Zeugen deutscher Bombenangriffe und der Zerstörungen in den Schlachten. Die Menschen kämpften um angeschimmelte Kohlköpfe, viele trugen Uniformteile oder Lumpen, waren arbeitslos, obwohl die Arbeitslosigkeit offiziell abgeschafft war.
    Anna fand es ungerecht, dass Leute wie Grujewitsch schmucke Uniformen trugen und in Autos herumkutschiert wurden, während Millionen hungerten. Nun hatte sie gelernt, dass die Kaste, der Grujewitsch angehörte, noch in vielerlei anderer Hinsicht weit besser lebte als die Menschen, mit denen sie gewöhnlich zu tun hatte. Besser als die Professoren am Konservatorium, von denen die meisten nur einen einzigen schmuddligen Anzug besaßen und nicht so aussahen, als hätten sie zu Hause Speck gebunkert.
    »Ich bin nur ein kleiner Fisch, anderen geht’s viel besser«, sagte Grujewitsch, um sich zu rechtfertigen. Aber er bereute es gleich, denn Anna wurde nun fast wütend.
    »Du meinst also, es gibt Leute, die noch mehr Vorteile haben als du?«, fragte sie. »Was für welche?«
    »Es ist nicht wichtig«, erwiderte Grujewitsch.
    »Es ist wichtig. Für mich ist es wichtig«, sagte Anna.
    Grujewitsch senkte die Stimme. Es war ihm unangenehm, dass andere Gäste hin und wieder zu ihrem Tisch guckten. »Na ja, die wirklich wichtigen Leute haben größere Autos und nicht nur eine Dienstwohnung in der Stadt, sondern auch eine Datscha im Grünen. Sie haben eigene Läden und können sogar Radios aus Deutschland kaufen. Das finde ich auch ein bisschen übertrieben. Aber es ist nicht so wichtig.«
    Anna schwieg.
    Als sie wieder in ihrem Zimmer waren, bat sie ihn, diese Nacht zu sich nach Hause zu fahren. »Warum?«, wollte er wissen.
    Aber sie wehrte alle Fragen ab. Grujewitsch blieb keine Wahl, er setzte sich in den Dienst-Wolga und fuhr durch das dunkle Moskau. Beleuchtet war nur der Kreml mit seinen Zuckerbäckertürmen. Hin und wieder blendeten ihn Scheinwerfer entgegenkommender Autos. Er war unruhig, dachte an Annas Verbitterung, schalt sich einen Trottel, dass er mit diesem Unsinn angefangen hatte. Tief in ihm bohrten Zweifel, ob die kleine Minderheit, die Partei und Staat führte und verwaltete, die Privilegien tatsächlich verdient hatte, die sie sich selbst genehmigte. Als ich noch zwanzig war, hätte ich das für unsowjetisch gehalten, dachte Grujewitsch.
    Er steuerte den Wagen zur Lubjanka, zeigte am Eingang seinen Dienstausweis einem Pförtner, der ihn seit Jahren kannte, und eilte in sein Zimmer. Auf dem Schreibtisch wartete eine Meldung auf ihn, mit EILT! überschrieben. Es war ein Funkspruch an den Direktor: SCHLAGEN TREFFEN AUF CHEFEBENE VOR. AUF NEUTRALEM PLATZ.
    Grujewitsch wusste, er hatte keine Wahl. Nun musste Berija eingeschaltet werden, gleich an diesem Morgen, wenn es ging. Grujewitsch legte sich auf das Feldbett, das seit vielen Jahren zum Inventar seines Büros gehörte. Klar, er würde kaum schlafen, aber wenn er lag, wurde er ruhig und konnte nachdenken. Eigentlich war er erleichtert, dass Berija den Fall und die Verantwortung übernehmen würde. Grujewitsch hatte Angst, ihm würde die Sache über den Kopf wachsen. Er hatte keinen Zweifel mehr, dass eine deutsche Stelle hinter den FunkSprüchen stand, wahrscheinlich Schellenberg. Grujewitsch hatte Respekt vor dem SD. Der ist in den vergangenen Jahren besser geworden, dachte er. Im Krieg hatte er mit seinen Einschätzungen oft danebengelegen. Müller, der einstige Chef der Gestapo, der zu uns übergelaufen ist, der hatte für Schellenberg und seine Leute nur Verachtung übrig. Grujewitsch zog eine Grimasse, damals hatte der SD die gleichen Schwierigkeiten wie wir bis heute, die meisten Schwierigkeiten bereitet uns die Wahrheit. Müller berichtete von den »Informationen aus dem Reich«, den regelmäßigen sachlichen Berichten des SD aus allen Regionen, Behörden und Gesellschaftskreisen Deutschlands. Die Berichte waren verhasst bei vielen Würdenträgern, weil sie spürten, dass sie die Wahrheit sagten über die miesen Aussichten, den Krieg doch noch zu gewinnen.
    »Die ganze Unkerei war Blödsinn«, hatte GestapoMüller bei einer Vernehmung in der Lubjanka

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