Der 21. Juli
steckte seinen Revolver in das Schulterhalfter.
»Sie haben uns vor einer Woche eine Botschaft geschickt«, sagte der kleine Mann. »Und wir haben Sie bezahlt«, fügte er nach einer Pause hinzu. Es stimmte, Myers hatte vorletzten Dienstag eine Zigarettenschachtel in einen Papierkorb des Parks von Wenatchee geworfen, darin ein Zettel mit einer Nachricht. Sie hatten ihm gesagt, wenn er eine Information habe, solle er sie immer dienstags um neunzehn Uhr in einer leeren Zigarettenschachtel in den Papierkorb neben der Bank am Nordeingang werfen. Am Dienstag darauf, zur gleichen Uhrzeit, würde er in dem Papierkorb, ebenfalls in einer Zigarettenschachtel, sein Honorar finden. Es hat immer funktioniert, dachte Myers. Sie zahlten gut, bald würde er die Verluste ausgeglichen haben. Dann wollte Myers aufhören, für die Deutschen zu arbeiten.
»Wir haben Ihre Botschaft analysiert«, sagte der kleine Mann. »Wir finden sie interessant, und vielleicht ist sie wichtig. Wissen Sie mehr? Wir zahlen extra.« Er legte einen weißen Briefumschlag auf den Tisch.
Myers griff das Kuvert und öffnete es mit der linken Hand. Er sah ein dickes Bündel Geldscheine.
»Sie brauchen es nicht zu zählen. Es sind zehntausend Dollar«, sagte der kleine Mann. »Und wenn Ihre Information gut ist, kriegen Sie noch zehntausend dazu.« Er klopfte mit den Fingerspitzen der rechten Hand auf die linke Seite seines grauen Jacketts.
Myers schluckte. Zwanzigtausend Dollar, das war etwa so viel, wie er in fünf oder sechs Jahren verdiente. Es war doch richtig gewesen, dass er damals die deutsche Botschaft in Mexiko City aufsuchte. Jetzt zahlte es sich aus. Auf einen Schlag würde er alle Geldsorgen loswerden. Ja, es war Verrat, aber hatten die Vereinigten Staaten von Amerika ihm vielleicht etwas dafür gegeben, dass er seine Knochen für sie hingehalten hatte? Ein bisschen Blech und eine traurige Pension waren der Dank. Myers verrechnete seine Verdienste mit seinem Verrat und entschied, es sei eine positive Bilanz: Ein paar lächerliche Informationen für die Deutschen standen gegen den Einsatz seines Lebens in der Normandie und bei der Jagd auf untergetauchte Nazikollaborateure im befreiten Frankreich. Nein, er hatte sich das Geld verdient. Und dass es gerade die Deutschen waren, die bezahlten, war nur gerecht. Das, was er ihnen verriet, wussten sie wahrscheinlich sowieso schon.
In seiner letzten Nachricht an die Deutschen hatte Myers berichtet, er sei beauftragt worden, einen ehemaligen SS-Mann namens Vandenbroke nahe der mexikanischen Grenze aufzusuchen, um ihn nach Washington in die Zentrale zu holen. Dulles selbst wolle mit ihm sprechen. Myers stutzte, dafür zehntausend Dollar? Und weitere zehntausend für zusätzliche Angaben, die genauso pissig waren? Den Deutschen mussten seine Informationen ungeheuer wichtig sein, genauer: Dieser SS-Mann war ihnen wichtig. Wäre sonst der Jude mit seiner stinkenden Zigarre bei ihm aufgetaucht? Ich bin ja nicht von gestern, dachte Myers. Die wollen Werdin erwischen oder umlegen oder beides in der richtigen Reihenfolge. Er schob diesen Gedanken gleich wieder von sich. Was sollte er spekulieren? Die Deutschen waren so blöd, ihm für Nachrichtenmüll richtig viel Geld zu bezahlen. Er wäre dumm, es nicht zu nehmen.
Myers berichtete dem kleinen Mann von ihrer Tour nach Tierra del Sol. Der kleine Mann wandte seine wachen Augen nicht von ihm ab. Hin und wieder nickte er, um Myers anzuspornen. Ein Lächeln hatte sich in sein Gesicht verirrt.
»Was glauben Sie?«, fragte er Myers, nachdem dieser seinen Bericht beendet hatte, »was will Dulles von Werdin? Informationen?«
»Nein«, erwiderte Myers, »was soll er nach so vielen Jahren noch wissen, was die CIA interessieren könnte? Die haben ihn damals ausgelutscht, bis nichts mehr da war. Ich glaube, er wird für eine Operation gebraucht.« Myers sagte nicht, dass Carpati in diesem klebrigen Hotel in Tierra del Sol darüber gerätselt hatte.
»Ach«, sagte der kleine Mann. Und nach kurzem Zögern: »Dann ja wohl gegen Deutschland. Glauben Sie, Werdin wird nach Deutschland geschickt?«
»Ich weiß nicht«, sagte Myers. »Es wäre wenigstens eine Erklärung für den ganzen Aufstand. Erst unsere blödsinnige Reise, dann großer Bahnhof mit Dulles. Das machen die nicht, um Anekdoten auszutauschen.«
»Sie sollten versuchen, mehr herauszubekommen. Können Sie Kontakt mit Werdin aufnehmen?«
»Das ist sinnlos. Der sture Bock verrät mir nicht mal sein Geburtsdatum.
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