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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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zum Telefon, befahl zwei Gestapo-Beamte zu sich und gab ihnen Order. Dann ging er in seinem Zimmer auf und ab und grinste. Es würde klappen, keine Frage.
    Es verging keine Stunde, bis die beiden GestapoMänner eine Frau in Krauses Dienstzimmer führten, ein Kind auf dem Arm. Die Frau trug ein Kopftuch, das ihre lockigen roten Haare nur schlecht zusammenhielt. Sie hatte ein knochiges Gesicht, Wut stand in ihren blassbraunen Augen. Die beiden GestapoMänner mit ihren Ledermänteln sahen aus wie Riesen neben der zierlichen Person. Das Kind auf dem Arm schlief.
    »Was wollen Sie von mir? Sie haben schon meinen Mann abgeholt. Verhaften Sie inzwischen auch Kinder?«
    Statt einer Antwort stand Krause auf und schlug ihr ins Gesicht. Das Kind öffnete die Augen und begann zu schreien. »Bringt sie in den Verhörraum, bewacht sie gut. Sie darf mit ihrem Mann sprechen, aber nicht über die Haft. Wenn die beiden Zeichen austauschen, nehmt ihr das Kind weg.«
    Die Augen der Frau weiteten sich. Sie schluckte.
    Hedwig warf erschrocken den Kopf herum, als Krause polternd eintrat. Die Weißgerbers saßen sich in etwa zwei Meter Abstand auf Stühlen gegenüber. Hedwig Weißgerber weinte, das Kind war verstummt. Hermann Weißgerber blickte auf Frau und Kind, er blutete, doch glaubte Krause, einen Glanz in seinen Augen zu erkennen. Krause befahl den beiden GestapoMännern, die Frau und das Kind hinauszuführen. »Passt gut auf sie auf, wir brauchen sie vielleicht noch«, sagte Krause und lachte kurz auf. Er schickte auch die beiden behelmten Wachtposten aus dem Raum. Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem Hedwig gesessen hatte, und blickte Weißgerber lange in die wieder stumpf gewordenen Augen.
    »Weißt du, Weißgerber, wir von der Gestapo sind ja nicht blöd. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele deiner Genossen wir schon zum Singen gebracht haben. Manche entpuppten sich als wahre Gesangskünstler. In vielen Menschen schlummern verborgene Talente. In dir bestimmt auch.«
    Weißgerber starrte stumm auf den Boden.
    »Du hast ein nettes Kind und eine hübsche Frau. Manche meiner Jungs haben schon lange keine Frau mehr gehabt. Haben einfach keine Zeit, und daran seid ihr von der Kommune schuld.«
    Krause ließ seine Worte wirken. Er stand auf und begann Weißgerber zu umkreisen. »Und dein Sohn, was, glaubst du, wird aus deinem Sohn?«
    Weißgerber blickte weiter auf den Boden.
    »Was hältst du davon: Wir verfrachten deine Frau in ein Konzentrationslager und lassen sie fleißig für das Großdeutsche Reich arbeiten. Sagen wir mal, im Steinbruch. Das steht sie vielleicht ein Vierteljahr durch, dann ab ins Krematorium. Deinen Sohn geben wir zur Adoption frei an eine gute nationalsozialistische Familie. Blonde Haare hat er ja.« Krause lachte trocken. »Es kann natürlich passieren, dass wir deine Frau sofort erschießen müssen, auf der Flucht. Und was mit deinem Kind geschieht, bei deiner Frau auf dem Arm, man weiß es nicht. Um ihr einen Fluchtgrund zu schaffen, könnten wir sie der gleichen angenehmen Behandlung unterziehen, die wir dir verpasst haben. Du siehst, wir haben eine Menge Phantasie.«
    Krause stellte sich vor Weißgerber, zog dessen Kopf an den Haaren nach oben und schaute ihm kalt in die Augen. »Ich will’s dir leichter machen. Ich brauche nur einen guten Tipp, einen sehr guten. Ihr habt doch in der Kommune auch ein paar Typen, die ihr nicht mögt. Ihr seid doch die Experten des Fraktionskampfes. Nenn mir einen aus deiner Gruppe, und deiner Familie geschieht nichts.«
    Krause ließ die Haare los. »Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken, und du denkst ein bisschen nach. In einer halben Stunde erzählst du mir was, und wir lassen deine Frau und deinen Sohn nach Hause gehen.«
    Krause schlug Weißgerber aufmunternd auf die Schulter und verließ die Verhörzelle.
    Sein Weg führte ihn nicht ins Kasino, sondern zu Gestapo-Chef Heinrich Müller. »Wir haben ihn gleich so weit, Gruppenführer«, meldete Krause. Müller schaute ihn skeptisch an und deutete mit dem Zeigefinger auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    Müller war für Krause ein Rätsel. Der kleine, untersetzte Mann, eng zusammenstehende braune Augen unter zuckenden Lidern, schiefe Nase, schmale Lippen, rundes Kinn in einem kantigen Bauernschädel, pomadige Haare, massige Hände, sprach einen deftigen bayerischen Dialekt. Wenn er sprach.
    Müller sagte wenig, wenn er es tat, zeigte er kein Temperament. Er sah nicht aus wie einer, der Europa von den Juden

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