Der 21. Juli
den kleingewachsenen Mann mit dem fast kreisrunden Gesicht verprügelt, ihm Fingernägel herausgerissen und seine Hoden mit Elektroschlägen behandelt. Hermann Weißgerber schrie, aber er sagte nichts. Krause schlug dem Mann die Faust ins Gesicht und wischte den blutigen Handschuh am Jackett seines Opfers ab. So kamen sie nicht weiter.
Sein größter Zorn aber richtete sich gegen Madeleine, sie hatte ihm gestern den Laufpass gegeben, ihn für einen Abteilungsleiter der AEG verlassen. Krause hatte ihr zwei, drei kräftige Ohrfeigen verpasst, es hatte nichts geholfen. »Deshalb«, sagte sie nur, als er sie fragte, warum sie ihn verlassen wolle. Danach war Krause in einen versteckten Puff in Wilmersdorf gegangen, den, glaubte man dem Gerede in der SS, auch Heydrich früher besucht haben sollte. Er vergnügte sich mit einer deftigen Brünetten und einer dreiviertel Flasche Doppelkorn. Die Nutte hat vielleicht geguckt, grinste Krause in sich hinein. So einen heftigen Freier hatte sie bestimmt schon lange nicht mehr gehabt. Er zahlte den verlangten Preis, also gab es nichts zu meckern. Die Nutte trug rote Striemen und blaue Flecken davon, das war ihr Berufsrisiko. Krauses Kopf glich einem Karussell in rasender Fahrt, dazu plagte ihn ein stechender Schmerz im Hinterkopf. Er kniff die Augen zusammen, er ertrug das Sonnenlicht nicht, das durch einen Kellerschacht fahl in den Verhörraum fiel.
»Du bist hier bei der Geheimen Staatspolizei in der Prinz-Albrecht-Straße 8, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest«, sagte Krause. Seine Stimme klang fast freundlich. »Die Gestapo kriegt am Ende alles heraus. Es ist nur eine Frage der Zeit, einer sehr kurzen Zeit. Wir können dich hier weiter auf die ganz besondere Weise bearbeiten, am Ende wissen wir alles, und du bist ein Haufen Dreck. Wenn du gleich ausspuckst, was du weißt, geht es ab sofort ohne Schmerzen. Und vielleicht lassen wir dir sogar den Kopf auf dem Hals und suchen dir stattdessen ein schönes Konzentrationslager, in dem du dich in frischer Luft von den Strapazen erholen kannst. Was meinst du?«
Weißgerber blickte ihn stumpf an, die blutigen Hände waren hinter den Stuhl gebunden.
»Wir können auch die Handschellen aufschließen«, sagte Krause.
Weißgerber schwieg.
Krause ging zwei Schritte zu einem Tisch, nahm ein Papier in die Hand, das in kräftigen schwarzen Lettern »Schluss mit Hitlers Krieg« forderte und »Stürzt die HitlerGöring-Regierung!« Unterschrieben war es von der Kommunistischen Partei Deutschlands.
»Wer hat das Flugblatt gedruckt? Wer hat es geschrieben? Wer sind die anderen Verteiler?«
Weißgerber schwieg.
Krause stellte sich neben ihn und hob die Hand. Aber dann senkte er sie wieder und stampfte aus dem Raum. Zwei SS-Männer mit Stahlhelmen stellten sich links und rechts des Stuhls auf, auf dem Weißgerber sich zusammenkrümmte.
Krause setzte sich ins Kasino im SS-Dienstgebäude in der Wilhelmstraße und bestellte ein Bier. Die Typen von der Kommune sind genauso hart wie wir, sie haben Grundsätze wie wir, und sie kämpfen in aussichtsloser Lage weiter wie wir. Krause hielt Liberale und Sozialdemokraten für Waschlappen. Unter ihnen hatten sie nur wenige aufgestöbert, die dem Staat hätten gefährlich werden können.
»Zum Wohl, Standartenführer!«, sagte der Ober und stellte ein Glas Dünnbier auf den Tisch. Krause schüttete gierig einen großen Schluck in seine ausgedörrte Kehle, wischte sich mit der Hand den spärlichen Schaum vom Mund und lehnte sich nach hinten. Das Kasino war fast leer, in der Dienstzeit traute sich kaum einer hierher, um nicht in den Ruch zu geraten, faul zu sein. Die meisten niedrigrangigen SS-Männer arbeiteten an Aufträgen oder warteten auf Befehle ihrer Vorgesetzten. Krause glaubte an das Wohlwollen seiner Chefs, er hatte die Mittagspause so oft sausen lassen müssen, war nachts auf Achse und auch am Wochenende, und Urlaub, ja wann hatte er das letzte Mal Urlaub gehabt?
Krause dachte an Madeleine, dieses Biest. Aber was soll’s, Abwechslung ist eine feine Sache. Es gab so viele einsame Frauen in Berlin, deren Männer oder Freunde irgendwo in Russland das Abendland verteidigten. Apropos Frauen. Weißgerber hatte eine Frau und einen etwa zweijährigen Sohn. Wenn man den Hund mit den üblichen Mitteln nicht weich kriegte, dann eben anders. Krause trank das Glas in einem Zug aus, warf eine Münze auf den Tisch und eilte zurück in die Prinz-Albrecht-Straße. In seinem Dienstzimmer griff er
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