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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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euch von der Kommune so schön heißt.«
    »Ja. Aber er hat Selbstkritik geübt.«
    »Einmal Renegat, immer Renegat. Aber er funkt nach Moskau?«
    »Ja.«
    »Und weil er funkt, muss er oft umziehen, wegen der Peilwagen?«
    »Ja.«
    »Und seine letzte Station war Zehlendorf oder Lichterfelde.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Das ist nicht viel, aber mehr als nichts. Damit du siehst, dass wir unsere Versprechen halten, lassen wir deine Frau und deine Tochter jetzt nach Hause. Dich behalten wir noch ein bisschen hier.«
    In sein Dienstzimmer zurückgekehrt, befahl Krause Wolfgang Struck zu sich, den Leiter der Funküberwachung. Krause schätzte Struck, er war geradezu verheiratet mit dem Äther, den Funkwellen und der Chiffrierkunst. Struck war früher ein Funktüftler gewesen, bis er erkannt hatte, die SS würde ihm unendlich viel mehr Möglichkeiten bieten, seiner Leidenschaft zu frönen, und das gegen einen ordentlichen Sold. Heydrich war kurz nach der Machtergreifung auf Struck gestoßen und hatte ihn für die SS gewonnen. Seine Vorgesetzten sahen es Struck nach, dass ihm die nationalsozialistische Weltanschauung ewig ein Geheimnis bleiben würde. Dafür war er ein Meister des Skatspiels, Krause hatte es am eigenen Geldbeutel gespürt. Struck vergaß keine Karte und kannte alle Tricks, verstand es sogar, die Eigenheiten seiner Kontrahenten auszunutzen.
    Die schwarzen Haare lagen wirr auf Strucks Kopf, als dieser, ohne anzuklopfen, die Tür zu Krauses Dienstzimmer leise öffnete. Struck mühte sich, vorschriftsgemäß zu grüßen, er gab mit seinen kurzen krummen Beinen unter einem langen Oberkörper eine ziemlich lächerliche Figur ab. Ohne dass Krause ihn aufgefordert hätte, setzte Struck sich auf den Besucherstuhl.
    »Struck«, sagte Krause, »arbeitet die Funkaufklärung hier in der Reichshauptstadt eigentlich noch, oder habt ihr seit dem großen Coup gegen die Rote Kapelle keine Lust mehr?«
    »Es ist weniger eine Frage der Lust als des Vermögens.« Gestelztheit war Strucks Ironie.
    »Was heißt das, des Vermögens?«
    »Das heißt, dass die Herren Engländer und Amerikaner unsere Peilwagen in Klump gehauen haben. Wir haben noch ein paar stationäre Abhörgeräte, aber die bringen uns nicht weiter.«
    »Gibt es denn Funkquellen, die wir aufklären sollten?«, fragte Krause.
    »Ich habe vor zwei Monaten einen Bericht an verschiedene Abteilungen der Gestapo geschickt, in dem ich darauf hinweise, dass es erstens regen ungeklärten Funkverkehr gibt und dass wir zweitens keine Möglichkeit mehr haben, die Quellen sauber anzupeilen.«
    Scheiße, dachte Krause, da war ich auf Inspektionsreise in Polen. Er hatte den hohen Stapel in der Eingangspost nur oberflächlich durchgeblättert. Man erstickte in Berichten, mit denen untergeordnete Stellen beweisen wollten, wie fleißig sie für den Endsieg kämpften. Krause hasste die Bürokraten, noch mehr hasste er ihr Papier. Wenn das Dritte Reich unterging, dann nicht wegen der Russen oder der feindlichen Bomber, schon gar nicht wegen der paar verrückten Kommunisten, die es unters Fallbeil zog, sondern es würde langsam in der selbst erzeugten Papierflut ersticken, Selbstmord auf Raten. Je besser die Überwachung der Feinde funktionierte, desto mehr Papier wurde beschrieben. Je mehr Papier beschrieben wurde, umso schlechter arbeiteten die Schutzorgane des Staats. Wir werden die Judenfrage lösen, alle inneren Feinde vernichten, die Russen schlagen und die Westalliierten an Frankreichs Küste verbluten lassen. Man musste nur an den Führer glauben. Aber gegen die Gefahr aus Papier schien auch dem Führer nichts einzufallen.
    »Na, Ihren Bericht hat sich offenbar ein Kamerad als Bettlektüre mit nach Hause genommen. Dabei gibt es in Berlin so viele einsame junge Frauen«, sagte Krause. Er zündete sich eine Zigarette an. »Um versteckte Funker zu finden, brauchen Sie Peilwagen. Wo gibt es welche?«
    »Ich vermute, das Reichsluftfahrtministerium hat noch welche. Aber ob die die Kisten rausrücken?«
    »Stimmt«, sagte Krause, »der Herr Reichsmarschall hat sich ja auch die Funküberwachung Untertan gemacht. Und was der Reichsforst-und Reichsjägermeister Göring erlegt hat, rückt er nicht mehr heraus. Aber ich glaube, ich weiß, wie wir ihn weich kriegen. Ich sage Ihnen dann Bescheid.«
    Nachdem Struck gegangen war, rief Krause seine Sekretärin, eine knochige junge Frau, deren Gesicht vorzeitig gealtert war. Krause verfolgte fasziniert, wie die Frau verfiel, seit sie erfahren

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