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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sie einen schnellen Sieg über die jüdische Weltverschwörung, das fein gekleidete ältere Paar am Tisch gegenüber von Werdin hatte natürlich keine gültigen Papiere. Werdin bewunderte die Fassung der beiden alten Leute, als sie abgeführt wurden.
    Werdin hörte die beiden Frauen am Nebentisch tuscheln, die Ältere war erregt. Sie stand auf. Der Gestapomann an der Tür brüllte sie an: »Sitzen bleiben!«
    »Ich suche meinen Ausweis«, sagte die Frau ängstlich. Sie ging zum Mantel, der hinter ihrem Stuhl an einem Garderobenhaken hing, aber sie fand ihren Ausweis nicht. Werdin sah Tränen in ihren Augen blitzen.
    Ein scharfer Knall, dann lautes Splittern, eine große Flasche oder eine Schüssel war am Tresen auf den Steinboden gefallen. Alle Augen gingen in diese Richtung. Werdin stand blitzschnell auf und setzte sich an den Nachbartisch, zwischen die beiden Frauen. Die Blonde musterte ihn erstaunt, sagte aber nichts. Der Zauber war doch nicht vorbei, er hatte ihn an den Tisch geführt, dachte Werdin. Und dann: Du bist wahnsinnig, du bringst dich in Teufels Küche oder in Müllers Folterkeller. Er hörte sich flüstern: »Sie sagen nichts. Lassen Sie mich sprechen.«
    Es war still im Café, Werdin spürte die Spannung, als zwei Ledermäntel sich Tisch um Tisch erst ins Rauminnere vorarbeiteten, um sich dann wieder dem Eingang zu nähern. Sie erwischten einen jungen Mann ohne Papiere, vielleicht ein Deserteur. Als die Ledermäntel an ihrem Tisch ankamen, stand Werdin auf: »Sturmbannführer Knut Werdin, Sicherheitsdienst. Die beiden Damen sind in meiner Begleitung, ich bürge für sie.«
    Einer der Gestapomänner sagte: »Bitte Ihren Dienstausweis, Sturmbannführer!«
    Werdin gab dem Mann seinen Ausweis, der schaute kurz hinein, führte seinen Finger an die Hutkrempe und sagte trocken mit einem Blick auf Irma: »Einen schönen Tag noch.« Werdin nickte und setzte sich wieder. Die Ledermäntel und ihre uniformierten Helfer zogen ab.
    Die ältere Frau saß leichenblass mit gekrümmtem Rücken auf dem Stuhl, ihre Hände zitterten. »Ist gut, Mutter«, sagte die Jüngere mit fester Stimme. Auch sie war bleich im Gesicht. »Es ist nichts passiert.«
    Sie wandte sich an Werdin und sagte: »Danke.« Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie: »Warum?«
    ***
    Das Telefon klingelte. Werner Krause glaubte erst zu träumen, aber dann begriff er. Er tastete mit halb geschlossenen Augen nach dem Schalter der Nachttischlampe. Die Lampe fiel auf den Boden, der Glasschirm klirrte.
    »Scheiße«, sagte Krause. Im Dunkeln fand er den Telefonhörer. »Ja?«
    »Standartenführer Krause?«
    »Ja.«
    »Hier der Wachhabende, Scharführer Deterling. Ich melde: Amerikaner und Engländer sind in der Normandie gelandet.«
    »Und deswegen wecken Sie mich!«, brüllte Krause.
    »Befehl von Gruppenführer Müller: Alle Abteilungsleiter haben sich um sieben Uhr bei Gruppenführer Müller zu melden. Einsatzbesprechung.«
    »Ich komme«, sagte Krause und legte den Hörer auf. Er stand auf, das linke Bein zuerst, es knirschte, ein Schmerz durchfuhr den großen Zeh. Er humpelte mit nach oben gekrümmtem Zeh zur Tür und knipste das Deckenlicht an. Der Zeh blutete stark. Krause ging fluchend zum Badezimmer und zog eine Spur von Bluttropfen hinter sich her. Er setzte sich auf den Rand der Badewanne und beäugte die Wunde. Ein kleiner Splitter ragte aus einem langen, schmalen Schnitt heraus. Krause zog leicht daran, er ließ sich schmerzfrei entfernen. Er warf den Splitter ins Klo und entnahm dem Badezimmerschrank ein Pflaster. Nachdem er es über die Schnittwunde geklebt hatte, humpelte er in die Küche. Die Küchenuhr zeigte sechs Uhr, er musste sich beeilen. Es war eine elend kurze Nacht gewesen, fast drei Stunden hatte er im Luftschutzkeller verbracht, und jetzt auch noch dieses Theater.
    Krause verzichtete aufs Frühstück und nahm es auch mit dem Waschen nicht so genau. Er schnappte seine Aktentasche und eilte die drei Stockwerke zur Straße hinunter. Sein MercedesDienstwagen stand vor der Tür. Wütend zündete er den Motor und stieß den Schalthebel in den ersten Gang.
    Es wäre ein Wunder gewesen, wenn Müller mehr gesagt hätte. Der große Schweiger saß am Kopf des Konferenztischs und verlor kaum ein Wort. Krause hasste den schweren bayerischen Dialekt, aber er ließ sich nicht verleiten, Müller zu unterschätzen. Müller war die Gestapo, und die Gestapo war Müller. Wer immer an der Spitze des Reichssicherheitshauptamts stand, die Geheime

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