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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Glücklicherweise, Fahr war ein hoher KP-Funktionär, aber sie hatten bisher nichts aus ihm herausprügeln können. Krause erinnerte sich gut, selten hatte er einen Mann erlebt, der Schmerzen mit solcher Würde ertrug. Hätten wir in unseren Reihen mehr von dieser Sorte, es sähe alles besser aus, dachte Krause. Aber die Härte würde Fahr nichts nutzen. Sie würden ihn töten.
    Es klopfte, die Tür sprang auf. Zwei SS-Männer führten Weißgerber vor. Krause wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und winkte die Wachen aus dem Raum.
    »Jetzt sind wir ganz unter uns, Weißgerber.«
    Weißgerber sagte nichts.
    »Ich will Fritz«, sagte Krause.
    »Wo sind meine Frau und meine Tochter?«, fragte Weißgerber leise.
    »Es geht ihnen gut«, erwiderte Krause. Er schaute ihn streng an.
    »Solange du mitspielst.«
    »Ich will sie sehen.«
    »Später.« Krause lächelte fast freundlich. Er schob eine Zigarettenschachtel über den Schreibtisch zu Weißgerber. Der schüttelte den Kopf.
    »Soll ja schädlich sein«, sagte Krause. »Wenn wir Fritz nicht finden, gibt es ihn nicht. Wir kriegen jeden, nur keine Gespenster. Wenn es ihn nicht gibt und du uns angeschissen hast, wirst du deine Leute bestimmt wieder sehen. In der Urne. Ich schwör’s. Ich lass mich von dir nicht verarschen.«
    »Ich sage die Wahrheit.«
    »So wahr dir Stalin helfe«, sagte Krause. »Oder wer immer dafür zuständig ist.«
    Es klopfte wieder, die Tür ging auf, ein kleines Männchen streckte sein zerfaltetes Gesicht herein. »Ich sollte mich melden. Meißner mein Name. Der Herr Reichskriminaldirektor schickt mich.«
    Ein Schrumpfgermane. »Kommen Sie rein«, knarzte Krause. Was für eine lächerliche Gestalt. Riesige abstehende Ohren an einem Zwergenkopf, verquollene Augen, Säufernase, ein verdrecktes Jackett, das möglicherweise einmal hellbraun gewesen sein mochte, ausgelatschte braune Schuhe, deren Nähte vorne aufplatzten. Der Mann trug einen Block unter dem rechten Arm. Das also war Arthur Nebes Wunderwaffe.
    Krause befahl Weißgerber und Meißner an den Besuchertisch in seinem Dienstzimmer. Er ermahnte Weißgerber, dem Zeichner jedes Detail zu nennen, das helfen konnte, Fritz zu identifizieren.
    »Haare?«, fragte Meißner.
    »Schwarz?«
    »Haarschnitt?«
    »Kurz.«
    Meißners tabakgebräunte Finger mit den langen schmutzigen Nägeln skizzierten flink eine Frisur. »So?«
    »Nein, vorne hat er eine Locke.«
    Meißner zeichnete mit seinem Bleistift eine Locke. »So?«
    »Nicht ganz. Höher.«
    Die Locke wuchs nach oben. »So?«
    »Ja.«
    »Frisur sonst richtig?«
    »Die Koteletten, die sind länger.«
    Krause fühlte, dass Weißgerber sich entschlossen hatte, Fritz für seine Familie zu opfern. Er beantwortete zügig die Fragen und dachte sich offenbar keine Phantomgestalt aus. Krause stand hinter dem Schrumpfgermanen und beobachtete fasziniert, wie Meißner mit wenigen gekonnten Strichen Weißgerbers Angaben in ein Gesicht umsetzte. Es entstand eine riesige Knollennase. Die würde Fritz zum Verhängnis werden, an diesen Erker erinnerte sich jeder, der Fritz mal gesehen hatte. Krause staunte, wie genau man ein Gesicht in seinen einzelnen Teilen beschreiben konnte, Wangen, Stirn, Kinn, Mund, Augenhöhlen, Augenbrauen und so weiter und so fort. Neben den Ekel vor Meißner gesellte sich Respekt, der Mann arbeitete mit der Präzision eines Feinmechanikers. Krause dämmerte, warum Nebe sich dieser abstoßenden Gestalt bediente, der Mann war überragend.
    »Körpergröße?«
    »Knapp eins siebzig«, sagte Weißgerber nach kurzem Zögern. Er hatte die kraftlose Stimme eines Manns, der sich aufgab.
    Meißner schrieb die Angabe neben seine Zeichnung.
    »Dünn, dick?«
    »Dick«, sagte Weißgerber. »Sehr dick.«
    Sie suchten also einen eher kleinen fetten Mann mit einem Riesenzinken und schwarzen Haaren, der wahrscheinlich in Zehlendorf oder Lichterfelde nach Moskau funkte, was ihm ein Verräter aus dem SD ins Ohr blies. Nein, sie mussten nicht auf die Peilwagen warten. Wenn sie sich nicht allzu blöd anstellten, würden sie Fritz vorher kriegen.
    Meißner verabschiedete sich mit einer unterwürfigen Verbeugung. Krause ließ Weißgerber zurück in seine Zelle im Keller der Prinz-Albrecht-Straße 8 bringen. Sobald die Zeichnung gedruckt war, ging die Jagd los, erst auf Fritz, dann auf den Verräter.
    Das Jagdfieber vibrierte in Krause. Wie immer, wenn er nervös war, machte er sich auf den Weg in den Keller, zum Schießstand. Sechs der acht Schießplätze

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