Der 21. Juli
Personalien der Frau zu notieren. Dann rasten sie im Kübel zurück zur Kaserne. Krause sprang aus dem Wagen und brüllte: »Leutpold!« Der Sturmbannführer kam im Laufschritt. »Wir kriegen ihn!«, rief Krause. Er berichtete Leutpold kurz, was er herausgefunden hatte. »Höchstens ein Kilometer Umkreis vom Laden«, sagte er. »Rufen Sie alle Ihre Leute her, wir kämmen dort alles durch.«
Es dauerte drei Stunden, bis alle Gestapobeamten und Polizisten in der Kaserne versammelt waren. Währenddessen lief Krause aufgeregt über den Platz, dann ging er in die Kaserne und telefonierte mit seinem Büro, ohne wirklich einen Grund dafür zu haben. Ihn hatte das Jagdfieber gepackt. Er wollte den Verräter enttarnen und stellte sich die schrecklichsten Folterqualen vor. Diesmal würden sie über sich hinauswachsen. Er zog sich mit Leutpold ins Zelt zurück, nahm eine Karte und zeichnete einen Kreis von etwa einem Kilometer um den Laden in der Altdorfer Straße. »Wir fangen außen an und arbeiten uns kreisförmig in Richtung Laden vor. Wir riegeln jede Straße ab, klingeln an jeder Wohnung und fragen nach Fritz. Die beiden Peilwagen nehmen hier und hier Aufstellung.« Krause zeigte auf zwei Punkte, einen im Osten, einen im Westen, deren Verbindungslinie die Altdorfer Straße schnitt. »Heute Abend zwischen neun und elf suchen die Peilwagen nach einem Funksignal. Wahrscheinlich funkt Fritz nur kurz, dann klappt es nicht beim ersten Mal. Wenn wir Fritz heute nicht kriegen, versuchen wir es morgen wieder, und die Peilwagen auch, bis wir ihn haben. Wenn die Suchtrupps eine Straße erledigt haben, müssen sie sofort melden. Wir können die Straße dann in der Karte streichen.«
Als endlich alle Männer versammelt waren, wiesen Krause und Leutpold ihnen ihre Bereiche zu. Sie ermahnten sie, nicht schnell, sondern sorgfältig zu suchen. Alle Straßen blieben während der Suche abgesperrt, Passanten mussten sich ausweisen. In den Straßen fuhren mit Funkgeräten ausgerüstete Fahrzeuge, damit die Suchkräfte ihre Meldungen sofort absetzen konnten. Es war Krauses größte Fahndung.
Eine knappe Stunde, nachdem die Suche begonnen hatte, trafen die ersten Funksprüche ein. »Im Mühlenfelde, nichts gefunden.« - »Goethestraße, nichts Auffälliges.« - »Gräfenberger Weg, kein Verdächtiger.« Jedes Mal, wenn das Funkgerät im Zelt in der SS-Kaserne laut wurde, hörte Krause wie gebannt hin. Wann endlich kam die Meldung?
***
Fritz alias Karl Stankowski brütete über der Nachricht, die er am Abend nach Moskau funken wollte. Werdin würde er in diesem Leben kaum mehr wiedersehen, das wusste er. Fritz hatte sich entschlossen, dem Direktor vorzugaukeln, Michael komme nach wie vor regelmäßig und berichte aus dem Innenleben der SS und von den Planungen der Umstürzler. Er wusste, Werdin tat alles, damit der Anschlag auf Hitler klappte. Das war Befehlsverweigerung, aber es war richtig. Was wussten die Idioten in Moskau schon von dem, was sich in Deutschland im fünften Kriegsjahr abspielte? Sie konnten sich ihren historischen Materialismus in den Arsch stecken. Fritz zweifelte aber an Werdins taktischen Überlegungen. War es richtig, Himmler am Leben zu lassen, ja, mit der SS ein Bündnis einzugehen? Er wusste aber nicht, was sie stattdessen tun sollten. Vielleicht war das auch alles egal, weil die Dinge sich entwickelten, wie sie wollten. Man würde sehen, was herauskam.
Fritz war allein mit seiner Angst. Er träumte davon, verhaftet zu werden. Er schlief kaum, jede Minute erwartete er das Klingeln und Klopfen an der Tür. Sie kamen immer früh am Morgen, es sei denn, sie hatten es eilig. Fritz würde bis zum Attentat noch so tun, als folge Werdin Moskaus Befehlen, dann musste er untertauchen. Wenn es den Verschwörern gelang, Hitler zu töten, würden seine Lügen dem Dümmsten offenbar werden. Dann hatte er die SS und das NKWD am Hals. Er traute es dem Direktor zu, dass er eigens Fallschirmagenten schickte, um ihn zu ermorden. Berija war rachsüchtig. Wenn ein Frieden geschlossen wurde, würden die Russen seine Auslieferung verlangen, und die Deutschen würden ihn mit Handkuss den Bolschewisten übergeben, sie wussten, was die mit Verrätern anstellten. Fritz dachte an einen Freund im Thüringer Wald, in Friedrichroda, wo er als Ausgebombter untertauchen wollte. Herrmann würde ihn eine Weile verstecken, dann konnte man weitersehen.
Fritz schaute aus dem Fenster. Es würde eine klare Nacht geben, die englischen Bomber würden
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