Der 21. Juli
kommen und Berlin weiter zerstören. Wer sollte das alles wieder aufbauen? Und wann? Einen Vorteil hatten die Angriffe, sie trafen auch seine Verfolger, schufen Verwirrung. Fritz zweifelte nicht, dass die Gestapo Funksprüche von ihm aufgefangen hatte. Warum kamen die Peilwagen nicht?
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lief eine Frau, sie trug zwei prall gefüllte Taschen. Die Glückliche hatte etwas zu essen organisiert. Die Deutschen hungerten nicht, aber Lebensmittel wurden knapp. Wenn jetzt noch die Ukraine verloren ging, drohte die erste Hungersnot. Fritz hatte die Jahre 1917 und 1918 miterlebt, der Hunger trieb die Menschen auf die Straße, erst zu Streiks, dann zur Revolution. Aber in dieser Revolution haben wir versagt. Das Versagen war der Vorbote der Niederlage von 33. Und nun? Nun wurde Deutschland in Schutt gelegt.
Fritz entdeckte zwei Schupos. Sie gingen in das Haus gegenüber. Zwei weitere Schupos erschienen, dann zwei Ledermäntel, Gestapo. Sie verschwanden in den Hausgängen daneben. Fritz beugte sich weit aus dem Fenster und beobachtete den Bürgersteig auf seiner Seite. Zwei weitere Schupos, zwei weitere Ledermäntel. Durch die Straße fuhr langsam ein Kastenwagen mit einer langen Antenne. Sie suchten jemanden. Sie suchten ihn.
Sie taten nichts. Sie warteten im Bendlerblock, früher Sitz des Kriegsministeriums. Rettheim erkannte General Hoepner, der 1941 die Panzerspitze vor Moskau befehligt hatte und vom Führer verstoßen wurde, weil er eine Stellung nicht um jeden Preis halten wollte. Der Chef des Ersatzheeres General Fromm, in dessen Quartier die Verschwörer sich versammelt hatten, war komfortabel festgesetzt worden, bewacht von einer Flasche Cognac. Er würde sich den stärkeren Bataillonen anschließen. Klarsichtig Mertz von Quirnheim, der sich 33 zu Hitlers SA versetzen ließ, jetzt aber nach Stauffenberg der energischste Verschwörer war. In ein Zimmer zurückgezogen hatte sich Beck, 1938 als General stab schef des Heeres zurückgetreten, nachdem er zuvor Hitlers Aufrüstung unterstützt hatte. Bei ihm Goerdeler, der frühere Leipziger Oberbürgermeister und designierte Reichskanzler, aufgeregt, die Gestapo war ihm auf den Fersen. Warum kam er in den Bendlerblock, er gefährdete alle anderen und damit die Verschwörung. Seltsame Leute, seltsame Karrieren, dachte Rettheim. Sobald etwas passierte, würde er Werdin in seinem Dienstzimmer anrufen. Wenn es schief ging, waren sie so gut wie tot. Wenn es nicht schief ging, vielleicht auch. Was würde die SS machen? Die Verschwörer schwelgten in ihrem Optimismus, aber sie hatten die meisten Deutschen gegen sich, nicht nur die acht Millionen Mitglieder der Nazipartei. Die Ostfront machte keinen Putsch, dort standen drei Viertel der Wehrmacht. Im Westen mochte es klappen, auch wenn Rommel, der Wüstenfuchs, Verletzungen nach einem Tieffliegerangriff auskurierte. Im Westen waren die Marschälle und Generale militärisch am Ende. Es war nur eine Frage von Tagen, bis die wilde Flucht begann. Im Osten herrschte die Angst vor einem Durchbruch der Russen. Wo würden sie zu Stehen kommen, erst in Berlin? Rettheim wurde übel bei dem Gedanken, er wusste, was die eigenen Leute in Russland angerichtet hatten.
Wie ein aufgeregter Hühnerhaufen liefen sie durch die Gänge, lebten ihre Nervosität aus. Ohne Stauffenberg waren sie kopflos, der Oberst gab den Generalen die Befehle. Jetzt war er in der Wolfsschanze, um den Führer in die Luft zu sprengen. Himmler und Göring waren nicht dort, Stauffenberg hatte sich entschieden. Wenn er anrief und Hitlers Tod meldete, würden sie Walküre starten. Rettheim hatte mehrfach gesagt, Walküre habe eine lebensgefährliche Schwäche. Die Einheiten, die Walküre umzusetzen hatten, wussten nicht, dass sie einen Staatsstreich unterstützten. Dass sie denen halfen, die ihren teuren Führer umgebracht hatten. Rettheim ahnte, sobald die Wahrheit herauskam, stünden die Verschwörer nackt im Licht. Was gab es dann - Bürgerkrieg? Oder würde der Putsch gleich zerschlagen?
Die Aufregung steigerte sich. »Er ist tot!«, brüllte einer. Jubel auf den Gängen. Stauffenberg war nach zweistündigem Flug in Berlin-Rangsdorf gelandet, er hatte angerufen und gemeldet, es sei alles planmäßig verlaufen. Eine gigantische Detonation habe die Baracke zerrissen, in der der Führer und sein Stab die Lage an den Fronten besprachen. Hitler tot, und nicht nur er.
Jetzt warteten alle darauf, dass Stauffenberg im Bendlerblock
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