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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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gerade hielt. Erst einmal weg. Wenige Stationen später stieg er aus, Warschauer Brücke. Nichts deutete darauf hin, dass Hitler getötet worden war, nichts zeugte von einem Staatsstreich. Er entdeckte ein Polizeirevier. Er wusste nicht, warum, eine innere Kraft trieb ihn hinein. Der Beamte hinter dem Tresen schaute Werdin erst von oben herab an, dann warf er einen Blick auf dessen Dienstausweis. Er nahm Haltung an. »Jawohl, Sturmbannführer, das haben wir gleich.« Der aufgeblasene Schutzpolizist verwandelte sich in die verkörperte Unterwürfigkeit. Er guckte wie ein Dackel, als er mit einem Blatt Papier in der Hand zurückkam. »Mellenscheidt gibt es in Biesdorf nur einmal, ist ja auch kein ganz gewöhnlicher Name, stimmt doch?«, sagte der Polizist. »Da können unsere Feinde noch so viele Bomben werfen, den deutschen Staat kann nichts erschüttern. Im Einwohnermeldeamt haben sie mir diese Adresse genannt, Kornmandelweg 3a.«
    Ungeduldig stopfte Werdin den Zettel in seine Jackentasche. »Wenn ich noch was für Sie tun kann, Herr Sturmbannführer«, sagte der Polizist, als Werdin ihm schon den Rücken zugekehrt hatte. Unruhe packte ihn. Was wurde nun aus Fritz? Bald wusste Moskau, dass Hitler tot war, dann war Fritz als Lügner enttarnt. Dann musste er damit rechnen, dass der Direktor ihn hochgehen ließ. Werdin machte sich auf den Weg nach Lichterfelde. Die U-Bahn war nicht ganz voll. Was würden die Leute sagen, wenn sie wüssten, dass ihr geliebter Führer tot war? Bilder kamen Werdin in den Kopf, während die Bahn über die Gleise ruckelte. Der Führer im offenen Mercedes-BenzKabriolett durch die Straßen, Geschrei, ekstatische Blicke, glänzende Augen, Körper, die sich ihm entgegenstrecken, Hingabe. Großkundgebung mit Hitler, kurz vor dem Krieg. Atemlose Stille der Masse, nur die gutturale Stimme des kleines Manns mit dem Oberlippenbart am Rednerpult, irrwitziger Jubel, wieder atemlose Stille, brüllender Hass, die Menge im Rausch.
    In Lichterfelde-Ost stieg er aus. Mit rasselnden Ketten und dröhnenden Dieseln fuhren Tiger-Panzer durch die Finckensteinallee. Es stank nach verbranntem Öl, die Kolosse rissen mit ihren Ketten die Straße auf. Eine Panzereinheit der Leibstandarte, in der Kommandantenluke junge Gesichter, entschlossen. Wohin fuhren sie? Zog Himmler Truppen in den Außenbezirken von Berlin zusammen? Rollten die Kolosse in die Innenstadt? Das Tor zur Kaserne war geschlossen. Als Werdin in die Altdorfer Straße einbog, sah er einen Kastenwagen mit einer langen Antenne auf dem Dach. Ein Peilwagen, er kannte diesen Typ von seinem Einsatz in Rotterdam. Zwei Wagen fingen dasselbe Funksignal auf, sie richteten ihre Antennen auf das Signal, zwischen ihren Standorten und der Signalrichtung wurde je eine Linie gezogen. Wo die Linien sich kreuzten, stand das Funkgerät. Je näher die Richtantennen dem Funkgerät waren, desto genauer die Ortung.
    Die Spione in Rotterdam waren leichtsinnig gewesen und hatten lange Funksprüche abgesetzt. Nach wenigen Nächten Arbeit mit den Peilwagen hatte Werdin das Nest ausgehoben. Der Tipp, der sie auf die Fährte gebracht hatte, aber kam von einem Holländer, der für den SD spitzelte, Pieter Mulden. Eine ekelhafte Gestalt, klein, schmierig, vorspringender Adamsapfel. Werdin erinnerte sich noch an den Streit mit der Gestapo, sie sei dafür zuständig, aber das interessierte am Ende keinen. In den besetzten Gebieten musste die Verwaltung noch aufgebaut werden, und bis die Kameraden der Gestapo zu Potte kamen, hätten die Engländer Holland mit Spionen erobern können.
    Was machte der Peilwagen hier? Werdin ging an dem Kleinlaster vorbei. Am Ende der Straße erkannte er zwei Ledermäntel, ein Kübelwagen fuhr langsam vorbei, darin ein Mann an einem Funkgerät. Er gestikulierte. Aus einem Haus wenige Meter vor ihm traten zwei Schupos auf die Straße. Es war klar, sie suchten jemanden. Plötzlich spürte Werdin Angst. Er sah weitere Polizisten und Gestapobeamte, noch ein Kübel mit Funkgerät. In der Stadt lief ein Staatsstreich ab, und hier draußen wurde jemand gejagt. Wer sonst außer Fritz? Langsam näherte sich Werdin der Elmshorner Straße. Zwei Gestapobeamte betraten das Haus Nummer 21. Zwei andere näherten sich von der Gegenseite dem Haus Nummer 27. Es war klar.
    Als die Jäger in den Häusern verschwunden waren und Werdin sich vergewissert hatte, dass die Straße leer war, rannte er los. Er riss die Tür der Nummer 23 auf und hetzte die Treppen hoch. An der

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