Der 26. Stock
fasste Ana bei der Hand und ging los.
»Ich werde gut auf die zwei aufpassen«, sagte Cass und erhob sich ebenfalls vom Tisch.
Vera nahm die Tafel, schrieb ein paar Zeilen darauf und gab sie Cass zurück. Jetzt würde sie mit Clara kommunizieren müssen.
Dann kritzelte Vera etwas auf eine Serviette, die sie Cassandra ebenfalls reichte.
Wenn etwas Unvorhergesehenes passieren sollte, lies , was ich auf die Serviette geschrieben habe. Grüß Isabel von mir. Viel Glück.
»Pass auf dich auf«, bat Cassandra, während sie die kleine Tafel und die Serviette einsteckte.
Vera nickte. Ihre Freundin nahm die Kleinen bei der Hand und die drei verließen das Restaurant. Vera fühlte sich schuldig,
dass ihre Töchter so etwas durchmachen mussten. Und sie wusste, dass sie im Grunde auch schuldig war. Sie war verantwortlich
und niemand sonst. Aber eine Person blieb noch: Isabel Alvarado war unschuldig. Sie würde auf die beiden aufpassen, bis sie
selbst wiederkam. Wenn sie denn wiederkam.
»Also, ich habe, was du von mir wolltest. Ich hoffe, du revanchierst dich bei Gelegenheit«, sagte Alicia. Sie setzte sich
auf Márquez’ Schreibtischkante. Er sah sie an und wartete darauf, das zu hören, was er schon wusste. »Du hast immer noch einen
guten Riecher. Die Todesfälle, die untersucht wurden, fielen allesamt in die Zuständigkeit deiner beiden Freunde Estella undde Andrés. Nach Angaben des Gerichtsmediziners vom Revier Nord wurden natürliche Todesursachen festgestellt, Herzinfarkt,
Schlaganfall und Ähnliches.«
»Wie das? Die meisten hatten ihren Wohnsitz doch gar nicht im Zuständigkeitsbereich des Reviers Nord.«
»Das stimmt«, bestätigte Alicia. »Aber sie sind rein zufällig in der Nähe des Turms gestorben. Der eine hatte seinen Infarkt
in einem nahe gelegenen Animierlokal, der Nächste ist ausgerechnet aus einem Fenster des Büroturms gesprungen, und so weiter.«
Márquez fiel ein, was Isabel über das Foto gesagt hatte. Sowohl die Firma als auch die Polizisten mussten enorme Anstrengungen
unternommen haben, um den Vorfall unter den Tisch zu kehren.
»Und welche Gerichtsmediziner haben die Fälle untersucht?«
»Es war nur einer, mein Bester«, korrigierte Alicia. »Rafael Vila. Er war der zuständige Gerichtsmediziner auf dem Revier
Nord.«
»War?« Márquez starrte seine Kollegin an.
»Ja, war. Bis vor fünf Tagen. Seitdem liegt er selbst in genau der Leichenhalle, in der er über zehn Jahre lang gearbeitet
hat. Ironie des Schicksals, was? Er wurde letzten Sonntag aus seinem Swimmingpool gefischt. Anscheinend hat er sich eine hohe
Dosis Adrenalin gespritzt und ist dann schwimmen gegangen. Die Folge: Lähmung und Tod durch Ertrinken. Ziemlich umständliche
Methode, um in die Hölle zu kommen, findest du nicht? Übrigens, Kommissar Hernández hat sich über die vielen Fragen ein klein
wenig irritiert gezeigt. Wird wohl besser sein, wenn du mal ein paar Schlussfolgerungen ziehst und ihm einen Bericht auf den
Schreibtisch legst.«
Márquez nickte. Alicia hatte recht, aber vorher brauchte er einen Beweis oder wenigstens ein Indiz, mit dem er seinen Verdacht
untermauern konnte. Er konnte einen so weitreichenden Fall nicht auf Vermutungen aufbauen.
»Tu mir noch einen letzten Gefallen.«
Alicia zog spöttisch eine Augenbraue hoch.
»Pass bloß auf, wenn meine Süße herausfindet, dass ich direinen Gefallen nach dem anderen tue, kommt sie her und zieht dir die Ohren lang.«
»Dann sage ich ihr einfach, dass ich das Glück habe, mit der besten Polizistin in der ganzen Abteilung zusammenzuarbeiten.«
Alicia musste lachen.
»Und mit der hübschesten.« Márquez nickte überzeugt.
»Na schön, du Schleimer, was darf’s denn noch sein?«
Der Inspektor sah auf den Bildschirm und zögerte einen Moment.
»Also …«, begann Márquez und suchte nach der richtigen Formulierung. »Ich möchte wissen, wie viele Angestellte aus dem Turm im vergangenen
Jahr gestorben sind, und ich möchte zum Vergleich die Sterblichkeitsrate der ganzen Stadt.«
Alicia erstarrte und sah ihn an, als hätte sie nicht richtig gehört. »Ángel, was ist hier eigentlich los?«, fragte sie und
ihre Stimme war tiefer und ernster als sonst.
»Ich kann dir das wirklich noch nicht sagen, ich bitte dich nur, mir zu vertrauen. Wenn du mir nicht helfen willst, kann ich
das verstehen. Kann sein, dass wir es hier mit einer ziemlich großen Sache zu tun haben.«
Alicia seufzte tief und senkte
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