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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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drehen.
    »Erklären Sie mir, was Sie vorhaben. Vielleicht kann ich etwas für Sie tun.«
    »Freut mich zu hören«, versicherte Zac.
    Er zog einen Rucksack unter Carlos’ Bett hervor, in dem eine Papierrolle steckte, und rollte sie aus. Darauf war ein Längsschnitt
     des Turms zu sehen. Márquez war baff. Zac deutete auf einen Punkt im oberen Teil des Gebäudes.
    »Das ist der 26.   Stock. Ich habe keine Ahnung, warum die ganzen toten Menschen von den Personalblättern, inklusive Señor Visotti, in dieses
     Stockwerk geschickt wurden. Aber wenn Isabel verschwunden ist und wenn sie wirklich, wie Sie sagen, dorthin versetzt wurde,
     dann muss die Antwort dort zu finden sein. Also suche ich dort.«
    »Wann?«
    »Heute Nacht«, sagte Zac entschlossen.
    Márquez musterte ihn. Zac schien nicht zu scherzen, und wenn es ihm gelungen war, einen so detailgetreuen Plan zu beschaffen,
     wie er vor ihnen lag, dann hatte er sich bestimmt auch über die Sicherheitsvorkehrungen im Turm informiert.
    »Ich vermute, Sie haben einen sattelfesten Plan«, sagte er deshalb.
    Zac grinste. Er zeigte auf den Parkplatz und auf den 26.   Stock und fuhr dann mit dem Finger einen Weg ab, der, wie Márquez erkannte, durch den Aufzugschacht führte.
    »Ich werde vom Eingang direkt hinauf in den 26.   Stock gehen. Seit wenigen Tagen gibt es im Gebäude ein neues Sicherheitssystem mit bestens ausgebildeten Wachleuten. Das bestätigt
     mich noch mehr in der Annahme, dass sie etwas zu verbergen haben. Aber ich will vor allem Isabel finden und, wenn möglich,
     herausbekommen, welches Schwein meinen Kumpel ins Koma geprügelt hat. Wenn mein Plan aufgeht, wird niemand Verdacht schöpfen.«
    »Und wie sieht der Plan aus?«
    Zac hob die Schultern und schüttelte den Kopf. So leicht würde er sich das nicht entlocken lassen. Márquez verstand.
    »Na schön, für mich wäre es auch ganz praktisch, ins Hochhaus zu gehen und ein paar Sächelchen zu holen. Was meinen Sie, wird
     es zu zweit vielleicht einfacher?«
    »Und wo genau willst du hin?«
    Márquez lächelte. Jetzt duzte Zac ihn also. Márquez warf einen Blick auf den Plan und zeigte auf einen kleinen Raum auf halber
     Höhe, über dem geschrieben stand: ZENTRALER KONTROLLRAUM.
    »Was genau ist das?«, fragte er.
    »Das Nervenzentrum des Sicherungssystems«, erklärte Zac. »Es liegt im sechzehnten Stock. Von hier aus wird angeblich das ganze
     Gebäude überwacht und gesteuert: die Drehtüren am Ein- und Ausgang, die Aufzüge, die Kameras   …«
    Zac rollte den Plan wieder zusammen und verstaute ihn in seinem Rucksack. Márquez wurde klar, dass sich seine Sicht auf diesen
     Mann in der letzten halben Stunde schlagartig verändert hatte. Zac war bereit, für die mutmaßliche Freundin seines Kumpels
     einiges zu riskieren, und wenn er die Gelegenheit bekam, würde er auch für Carlos Vergeltung üben. Während Zac sich den alten
     Rucksack auflud, fragte sich Márquez, was diesen Mann wohl hinter Gitter gebracht hatte. Ein Anruf auf der Wache hätte genügt,
     doch nun hatte er zu viel Respekt vor ihm.
    »Gut, wir sehen uns um Viertel vor sieben am Kongresspalast«, sagte Zac. »Komm zu Fuß. Ich fahre einen weißen Van. Du wirst
     ihn problemlos erkennen. Und sei pünktlich, ja?«
    Márquez nickte, und Zac senkte leicht den Kopf zum Gruß. Dann öffnete er die Tür und verschwand. Márquez blieb noch eine Weile
     allein im Zimmer sitzen und dachte nach. Er hatte wahnsinnige Lust auf eine Zigarette. Schön, dass ihn noch jemand positiv
     überraschen konnte. Die Welt war wohl noch nicht völlig verloren.
     
    Vera hielt den Wagen an und steckte den Kopf aus dem Fenster. Die Rollos ihrer Wohnung waren unten, so wie sie sie zurückgelassen
     hatte. Sie zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, konnte sich aber nicht entschließen, auszusteigen. Sie war nicht sicher,
     ob es eine gute Idee war, hierher zurückzukommen. Wenigstens hatte sie die Mädchen nicht dabei, die waren bei Cass in Sicherheit.
     Sie lächelte und stieg aus dem Wagen. Als sie auf das Haus zuging, sah sich um, ob auch niemand sie beobachtete. Der Geruch
     im Hausgang war der gleiche wie immer, eine Mischung aus Waschlauge und gekochtem Kohl, die ihr mit den Jahren fast angenehm
     vertraut geworden war. Sie fuhr mit dem Aufzug nach oben. Als sie die Wohnungstür aufsperrte, schlug ihr stickige Luft entgegen.
     Es roch so, als wären die Räume jahrelang verschlossen gewesen. Dabei war es erst wenige Tage her, dass sie sie

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