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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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ging einige
     Monate lang. Carlos kam damals schon nicht mehr in die Firma, er hatte zu viel mit seinem Studium zu tun. Er hat erst aus
     dem Testament seines Vaters davon erfahren. Jedenfalls kamSeñor Visotti eines Tages sehr spät in die Firma, das erste Mal, seit ich bei ihm angefangen hatte. Er war in sich gekehrt
     und wortkarger als sonst. Am nächsten Tag kam er gar nicht. Erst am folgenden Mittag ließ er sich wieder in der Firma blicken.
     Seine Kleidung war verschmutzt, und er hatte eine Fahne. Niemand wagte es, ihn zu fragen, wo er gewesen war. Da habe ich mit
     Carlos geredet. In Visottis Familie hatte man die Veränderung auch bemerkt, aber man hatte keine Ahnung, was mit ihm los war.
     Wenige Tage später beging er dann Selbstmord. Es kam heraus, dass sein Unternehmen noch immer tief in Schulden steckte, ein
     Insolvenzverfahren wurde eröffnet, der Firmenbesitz versteigert   … Und jetzt raten Sie mal, von wo das Topangebot stammte.«
    Der Polizist schwieg einige Sekunden lang, dann gab er die einzig mögliche Antwort.
    »Aus dem Turm?«
    »Bingo«, sagte Zac, befriedigt darüber, dass Márquez ihm so aufmerksam gefolgt war. »Ja, es kam aus dem Turm.«
    »Ich wusste gar nicht, dass das ein Rüstungskonzern ist.«
    »Machen Sie Witze?« Zac stand aus seinem Sessel auf. »Wir haben es hier mit einem der größten Konzerne im Land zu tun, und
     Großunternehmen sind da, wo Geld zu holen ist. Und Waffen, das wissen Sie, waren schon immer ein lukratives Geschäft.«
    Inspektor Márquez antwortete nicht. Er konzentrierte sich wieder auf seine Notizen und wartete, dass Zac weitersprach. Er
     ahnte, dass er noch einiges mehr hören würde.
    »Carlos hat nie hinnehmen wollen, dass die Firma seines Vaters aufgekauft worden war. Eines Tages sagte er mir, jetzt wisse
     er Bescheid. Nicht nur, dass das Unternehmen die Firma seines Vaters erworben hatte, es war seit der Produktionsumstellung
     wichtigster Kunde gewesen und anschließend auch Hauptgläubiger. Wie Carlos erklärte, war auch das Geld, das sein Vater zum
     Weitermachen benötigt hatte, aus dem Turm gekommen. Umberto Visotti hatte jedoch trotz des Neubeginns die Schulden nicht mehr
     begleichen können. Ich muss gestehen, dass ich dem Ganzen nicht so viel Bedeutung beigemessen habe wie Carlos.Eines Tages lud er meine Frau und mich zu sich zum Abendessen ein und erzählte, er habe ein Bewerbungsgespräch im Turm gehabt
     und den Job bekommen. Seitdem war er nicht mehr derselbe. Er war einer der bestgelaunten Menschen, denen ich je begegnet bin.
     Und einer der meistbeschäftigten dazu. Wir haben uns dann nicht mehr so häufig wie früher gesehen.«
    »Glauben Sie, dass er bei der Firma eingestiegen ist, um etwas über den Tod seines Vaters herauszufinden?«, fragte der Polizist.
    Zac dachte kurz nach; er schien nach den richtigen Worten für seine Antwort zu suchen.
    »Ich glaube, er hatte das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein. Er weigerte sich, das Resultat der polizeilichen Untersuchung
     einfach so anzuerkennen. Seiner Meinung nach war es unmöglich, dass sein Vater sich umgebracht hatte. Ich glaube nicht, dass
     er schon plante, Nachforschungen anzustellen, bevor er die Chance dazu vor sich sah. Aber als er dann dort war   … Sie sagten, Isabel hätte Ihnen die Personalblätter gezeigt. Ich glaube, dass Carlos auf eigene Faust ermittelt hat, und
     nach dem, was jetzt passiert ist, war er wohl auf einem guten Weg.«
    Márquez steckte sein Notizbuch wieder ein. Er hatte keine weiteren Fragen an Zac. Tatsächlich hatte dieser ihm weit mehr erzählt,
     als er erwartet hatte. Aber so waren die Menschen nun mal. Manchmal erzählten sie einem gar nichts, und ein andermal bedurfte
     es nur einiger treffend formulierter Fragen, und schon sprudelten sie wie ein Wasserfall.
    Márquez beugte sich zu Carlos hinunter.
    »Es ist Zeit aufzuwachen, mein Freund. Zeit aufzuwachen und uns zu erklären, was hier läuft.«
    »Inspektor«, sagte Zac, »ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber ich gedenke nicht, hier rumzusitzen und Däumchen zu drehen,
     bis Carlos die Augen aufmacht. Wenn er aufwacht, wird er nach Isabel fragen, und dann will ich, dass sie hier ist und ihm
     antworten kann. Also: Ich werde sie suchen.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Márquez.
    »Das Problem liegt im Turm«, fing Zac an, doch Márquez unterbrach ihn mit einer Geste.
    Er stand auf, öffnete die Zimmertür und bat den Beamten, der dort Wache schob, eine kleine Runde zu

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