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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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irgendetwas zu beschädigen. Alles regeneriert sich einfach. Das habe ich in den vergangenen
     Tagen zur Genüge feststellen können. Hey, sogar meine Haare wachsen dichter als zuvor. Und sterben kann ich auch nicht.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Vera und schob Isabel unmerklich auf die Tür zu.
    Hugo bemerkte ihre List sofort. Nein, er würde sie nicht gehen lassen. Es hatte ihn zu viel gekostet, Isabel hierherkommen
     zu lassen, und wenn Vera noch lebte, so war der Turm der richtige Ort für sie. Auch sie war schuldig.
    »Genug geredet«, sagte er. Er löste die Trommel aus dem Rahmen des Revolvers und warf die Patronen in die eine Zimmerecke,
     die Waffe in die andere. »Der Vorstand hat mich gebeten, Isabel an den Ort zu bringen, an dem ihr Bruder die letzten Tage
     verbracht hat.«
    Vera spürte, wie Isabel zusammenzuckte.
    »Teo!«, rief Isabel und stürmte los. »Er lebt!«
    Vera hielt sie zurück. Nach allem, was sie gesehen hatten, durften sie kein Risiko eingehen. Hugo setzte ein falsches Lächeln
     auf. Er genoss den Moment sichtlich.
    »Ich muss wohl nicht eigens betonen, dass ich euch ohne mit der Wimper zu zucken umbringen werde, wenn ihr zu fliehen versucht.
     Ich habe nichts zu verlieren.« Er ging zu der Eichentür und öffnete sie. »Und nun kommen Sie bitte mit, verehrte Damen. Nach
     Ihnen.«
    Er streckte den Arm Richtung Flur aus. Isabel zögerte und sah Vera an.
    »Komm, Isabel«, sagte Vera, und sie traten gemeinsam über die Schwelle.
    »Ich nehme euch jetzt mit nach oben. Das wolltet ihr doch, oder?«
    Vera und Isabel gingen auf den Aufzug zu. Als sie ihn erreichten, steckte Hugo seine Magnetkarte in den Schlitz. Vera sah
     ihm in die Augen.
    »Lass sie gehen. Sie ist an gar nichts schuld. Nimm mich mit, wenn du willst, aber lass sie gehen.«
    »Bedaure, Vera«, erwiderte er und steckte die I D-Card wieder ein. »Deine Einstellung ist rührend, aber ich werde nicht zulassen, dass sie entkommt. Sie trägt für die ganze Sache
     ebenso viel Verantwortung wie jeder andere von uns. Wenn du das als meine persönliche Rache interpretieren willst, bitte sehr.
     Ich würde nur sagen, ich bin ein Werkzeug der Gerechtigkeit, einer weniger blinden Gerechtigkeit als diejenige, die uns aburteilt.
     Andere mögen Nachsicht mit ihr üben, ich werde das nicht tun.«
    Vera tat einen Schritt auf ihn zu und sah, wie wenige Zentimeter vor ihrem Unterleib ein Messer aufblitzte. Sie wechselte
     die Strategie.
    »Du wirst das sicher bereuen. Dein Gewissen wird dich dafür plagen, dass du einen unschuldigen Menschen bestraft hast.«
    Angewidert verzog Hugo das Gesicht und stieß Vera brutal in den Aufzug. Ihm riss allmählich der Geduldsfaden.
    »Ausgerechnet du kommst mir mit Gewissensbissen?«, schnaubte er, während Vera sich gerade noch fangen konnte, bevor sie gegen
     die Spiegelwand prallte. »Du hast doch schon vor langer Zeit herausgefunden, dass wir Waffen herstellen und an die Regierung
     verkaufen. Und die hat nie Schwierigkeiten damit gehabt, sie an verschiedene Gruppierungen in Afrika, Südamerika und im Mittleren
     Osten weiterzuverschachern. Weißt du, wie viele Menschen dadurch ums Leben gekommen sind? Stell dir vor, du schläfst irgendwo
     auf der Welt in deinem Dorf, neben dir schlafen deine Kinder, und kurz vor Tagesanbruch tauchen zwanzig Männer auf und löschen
     deine Familie aus, weil du dem lokalen Häuptling nicht bezahlt hast, was du ihm schuldest. Das waren unsere Waffen. Verdammte
     Scheiße, red du mir nicht von Gewissen. Dein lieber Alberto und du, ihr wusstet ganz genau, dass wir einen Teil unserer Produkte
     aus Fernost importieren.Kinder, Vera, Tausende von Kindern, die für ein paar Brosamen schuften, vierzehn Stunden am Tag. Du hast dazu beigetragen,
     und Isabel ebenfalls. Oder nimm unsere Parfümkollektion. Hunderte von Tieren mussten ihr Leben lassen, damit man ihnen die
     Eingeweide herausreißen konnte, und das nur, weil irgendein Fräulein einen Duftstoff verlangt. Dazu die Felle, das eingepferchte,
     überfütterte Vieh, das sich kaum noch auf den Beinen halten kann, nur damit die Fleischproduktion ansteigt. Und der Regenwald   … Zahllose Hektar verwüstet, ganze Stämme massakriert für billiges Holz und spektakuläre Touristenrouten. Ich habe mir sagen
     lassen, dass man unserem Kollegen Miguel David diesen Sachverhalt auf etwas unerquickliche Weise nahegebracht hat. Nein, Vera,
     verschone mich mit dem Gewissen. Ich wusste genau, was ich machte, ich habe mein

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