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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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fühlte sich etwas sicherer. Die Hand über ihrem Mund zitterte; ein bitterer Tabakgeruch ging von ihr
     aus.
    »Ganz ruhig. Ich muss dir die Wahrheit erzählen, aber draußen würden sie mich hören.«
    Isabel spürte, wie sich der Griff lockerte. Sie drehte sich um.
    »Was soll das? Wieso   …?«
    »Still!«, unterbrach Vera sie. Neue Tränen liefen ihr die Wangen herab. Sie zündete sich eine Zigarette an, zog daran. »Ich
     möchte dir helfen, deshalb bin ich hergekommen. Du musst die Firma verlassen, Isabel. Kündige, lass alles hinter dir und geh
     mit deinem Bruder so weit wie möglich fort.«
    Vera sagte das mit einer seltsamen Ruhe, obwohl ihre Hand so stark zitterte, dass die Glut ihrer Zigarette geradezu zu tanzen
     schien.
    »Vera, was soll das heißen? Der Unfall ist dir bestimmt sehr nahegegangen, aber   …«
    »Nein, meine Liebe.« Vera schüttelte den Kopf. »Das war alles gelogen. Es hat keinen Unfall gegeben. Ich habe dir das nur
     erzählt, weil sie uns überwachen. Alberto ist spurlos verschwunden. Du musst fliehen. Trau keinem über den Weg! Hör auf mich,
     oder du wirst es bereuen!«
    Vera sah schrecklich aus. Ihre Augen waren gerötet und verquollen. Die Hände zitterten ihr inzwischen so sehr, dass sie sich
     kaum noch die Zigarette zwischen die Lippen stecken konnte. Sie war völlig außer sich.
    Isabel legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
    »Pass auf, nach der Arbeit komme ich zu dir nach Hause und du erklärst mir das alles in Ruhe, einverstanden?«
    Da riss die Freundin sich los und sah Isabel wütend an. Ihre Gesichtszüge waren auf einmal verkrampft, und sie hatte die Hände
     zu Fäusten geballt.
    »Verdammt noch mal, verstehst du nicht?!«, schrie sie. Sie krempelte den Ärmel hoch und riss sich einen Verband vom Arm, der
     an einigen Stellen rot gefärbt war. »Siehst du das? Er ist zurückgekehrt!«
    Sie hielt Isabel ihren Arm entgegen, der bis zum Ellebogen nackt war. Rötliche Linien führten vom Handgelenk nach oben. Als
     Isabel begriff, dass es sich um tiefe Fleischwunden handelte, riss sie erschrocken den Mund auf:
    »Um Himmels willen, Vera, du bist ja verletzt!«
    Ihr wurde schwindlig. Vera schob sie unsanft zur Seite und öffnete die Tür.
    »Ich habe versucht, dir zu helfen«, hörte Isabel noch. »Ab jetzt ist das allein deine Sache.«
    Sie wollte Vera um weitere Erklärungen bitten, doch die Tür war schon ins Schloss gefallen. Isabel war wie benommen, und es
     dauerte ein paar Sekunden, bis sie reagieren konnte. Dann stürzte sie hinaus. Doch von Vera war keine Spur mehr zu sehen.

6
    Isabel zahlte und trat hinaus auf die Straße. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie versuchte Vera anzurufen, aber ihr Handy
     war ausgeschaltet. Auf dem Rückweg zum Büro ging ihr der Anblick des aufgeritzten Unterarms nicht aus dem Kopf. Ihre Freundin
     hatte behauptet, ihr Chef sei spurlos verschwunden. Wie konnte ein Mann mit Familie, Chauffeur und stets griffbereitem Handy
     einfach so verschwinden? Am Eingang zum Firmengelände fiel ihr Veras Warnung wieder ein, dass sie überwacht würden, und zum
     ersten Mal lief es ihr beim Anblick des gigantischen glasverkleideten Hochhauses, das sie fast schon als ihr zweites Zuhause
     betrachtete, kalt den Rücken herunter.
    Wenige Minuten später saß sie in ihrem Büro, das ihr erstmals zu eng vorkam. Auf der anderen Seite der Milchglasscheibe waren
     ihre Jungs und Mädels damit beschäftigt, Bewerber anzurufen und zu Gesprächen einzuladen. Isabel schaltete den PC ein, und
     während der Rechner hochfuhr, wünschte sie, jemand Vertrauten um sich zu haben, dem sie erzählen könnte, was sie gerade in
     dem Restaurant erlebt hatte. Eines war klar: Vera hatte irgendein Problem, und es war ihre, Isabels, Pflicht, ihr zu helfen.
     Eine innere Stimme riet ihr jedoch, abzuwarten, was als Nächstes geschah. Auf dem Bildschirm blinkte eine neue firmeninterne
     Nachricht.
     
    Wie war das Essen mit Vera? Hast Du Lust, mir bei einem Kaffee davon zu erzählen? War schön gestern.
    Carlos
     
    Isabel lächelte erleichtert. Sie schlug ihm vor, sich nach der Arbeit in der Tiefgarage zu treffen. Etwas ruhiger versuchte
     sie es dann noch einmal bei ihrer Freundin, aber es nahm noch immer niemand ab. Um sich abzulenken, öffnete sie ihre Bewerberdatei
     und begann, einen Bericht über einen jungen Mann zu tippen, der auf sie ziemlich karrierebesessen gewirkt hatte. Er war gerade
     aus dem Ausland zurückgekommen und hatte im

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