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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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hatte sich ganz schön erschrocken. Sie hob ihre
     Tasche auf, und das grüne Licht leuchtete erneut unter der Abdeckung des Kopierers hervor. Im Inneren des Geräts klickte etwas,
     und man hörte, wie Papier durchgezogen wurde. Vielleicht hattederjenige, der da kopiert hatte, plötzlich etwas anderes erledigen müssen. Isabel warf einen Blick auf die Papierausgabe.
     Dort lagen aber nur ein paar weiße Blätter. Das Gerät setzte sich abermals in Betrieb, und ein weiteres Blatt weißes Papier
     wurde ausgeworfen. Isabel besah sich neugierig das Display. Wer immer das Original eingelegt hatte, musste sich in den Einstellungen
     geirrt haben. Die Helligkeit stand auf höchster Stufe, so konnten nur weiße Blätter herauskommen. Sie öffnete die Tür zum
     Nebenraum, in dem ihre Mitarbeiter noch immer über die Fähigkeit der beiden Geschlechter diskutierten, ein unabhängiges Leben
     zu führen.
    »Sagt mal, benutzt jemand von euch gerade den Kopierer?«
    Sie unterbrachen ihr Gespräch und sahen zu Isabel hoch, dann schüttelten sie allesamt die Köpfe.
    »Warum fragst du? Ist der noch an?«
    Isabel nickte. »Ja. Dann schalte ich ihn am besten aus. Der läuft sonst nur leer. Bis morgen.«
    Sie zog die Tür hinter sich zu und trat wieder an den Kopierer. Sie löschte den Kopierauftrag und wandte sich schon zum Gehen,
     da siegte die Neugier. Sie hob den Deckel und sah ein weißes Blatt, das auf der gläsernen Oberfläche auflag. Isabel drehte
     es um. Als sie das Bild erblickte, das bei korrekter Helligkeitseinstellung abgelichtet worden wäre, zog sie erstaunt eine
     Augenbraue hoch. Es handelte sich um ein grobkörniges Schwarz-Weiß-Foto. Im Vordergrund sah man das Rückfenster eines Streifenwagens,
     daneben zwei Männer mit dem Rücken zur Kamera, der eine davon in Uniform. Zwischen den beiden hindurch waren die Umrisse eines
     dritten Mannes zu erkennen, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Was war das? Im Hintergrund sah man die unteren
     Stockwerke eines hohen Gebäudes, vielleicht der Büroturm. Isabel betrachtete das Foto. Ohne recht zu wissen, warum, wählte
     sie dann die geeignete Helligkeitsstufe. Sie wollte gerade auf Start drücken, als eine Stimme vom Ende des Korridors an ihr
     Ohr drang. Es war Hugo.
    »Isabel? Komm schon. Rai wird langsam ungeduldig.«
    Instinktiv schnappte sich Isabel das Foto. Während sie auf Hugo zuging, faltete sie den Abzug hinter ihrem Rücken zweimal
     zusammen, so dass sie ihn unauffällig in die Hosentasche stecken konnte, bevor sie zusammen über die Schwelle des Besprechungszimmers
     traten.
     
    Wie am Vortag waren die Teamleiter um den breiten Tisch herum versammelt. Rai saß am Kopfende. Isabel fand, dass er müde wirkte.
     Hugo und sie nahmen Platz.
    »Gut, Freunde«, begann Rai, »nun, da wirklich alle hier sind, können wir anfangen. Vermutlich seid ihr recht überrascht über
     meine soeben erfolgte Beförderung. Ich möchte mich bei euch entschuldigen, dass ich euch nicht schon gestern informiert habe,
     aber die Konzernführung wollte möglichst diskret vorgehen.«
    Isabel beobachtete, wie die Anwesenden den aufgeblasenen Ausführungen ihres neuen Chefs aufmerksam folgten.
    »Am Mittwoch haben sie mich noch spätabends angerufen. Alberto Hernán war soeben ins Krankenhaus eingeliefert worden.« Ein
     Raunen ging durch den Raum. »Er hatte auf dem Nachhauseweg einen Autounfall. Ich rief sofort seine Frau an. Es war ein schwerer
     Unfall, aber wie es scheint, hat sich Señor Hernáns Zustand in den letzten Stunden stabilisiert. Dem Vernehmen nach wird er
     eine Zeitlang in einer französischen Rehaklinik bleiben müssen. Unser Konzern hat dafür gesorgt, dass er von den besten Spezialisten
     behandelt wird.«
    Hugo stand auf. Er wirkte für seine Verhältnisse ausgesprochen erregt.
    »Warum hast du uns nicht vorher darüber informiert, Rai? Was ist das für ein Stil, so etwas unter Verschluss zu halten? Glaubt
     ihr denn, uns anderen ist es egal, was Alberto passiert ist? Viele von uns arbeiten schon weit länger als du mit ihm zusammen!«
    »Bitte beruhige dich, Hugo«, sagte Rai. »Sein Zustand war in den ersten 24   Stunden sehr instabil, und er wird einige Zeit unter genauer Beobachtung stehen. Die Geschäftsführung hates für richtig erachtet, die Nachricht nicht überstürzt zu verbreiten, um Schaden von unserem Unternehmen abzuwenden.«
    Hugo lachte auf. »Ach komm, Rai, erzähl mir doch keinen Mist. Willst du mir wirklich weismachen, dass

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