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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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ließ seinen ausladenden Körper auf einen Stuhl sinken, im Mund die unvermeidliche kalte Pfeife.
     Er warf einen Blick auf den Bilderrahmen, der auf dem Schreibtisch stand.
    »Wie geht es Teo?«
    »Gut. Bei O’Reilly sind sie mit seiner Arbeit sehr zufrieden, und er geht sehr gerne zur Schule. Er ist nicht mehr so verwirrt
     wie am Anfang. Er hat sich wirklich gut eingewöhnt.«
    Hugo lächelte. »Das freut mich. Er ist ein guter Junge. Meine Frau fragt häufig nach ihm. Ihr solltet mal wieder zu uns zum
     Essen kommen.«
    Isabel biss sich auf die Lippen. Vergangene Weihnachten waren Teo und sie bei Hugo und seiner Frau eingeladen gewesen. Isabel
     wusste, dass sie die Einladung hätte erwidern sollen, aber ohne es zu merken, hatte sie die Monate tatenlos verstreichen lassen.
    »Nein, Hugo«, sagte sie, während sie ebenfalls Platz nahm, »erst sind wir euch noch eine Einladung schuldig.«
    Hugo blickte auf den blauen Teppich, der in Isabels Büro lag, kratzte sich am Kinn und zog unwillkürlich an der kalten Pfeife.
     Abrupt stand er auf und trat ans Fenster. Isabel wusste, welcher Anblick ihren Kollegen erwartete: ein herrlicher Rundblick
     über die ganze Stadt, nur unterbrochen von einigen anderen hohen Bürobauten.
    »Rai hat ein Meeting anberaumt.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte Isabel, »was in letzter Zeit ja die Regel ist.«
    »Ja, ich weiß, was du meinst. Aber das mit dem Meeting ist gerade erst übers Intranet rausgegangen. Wahrscheinlich ist die
     Nachricht auf deinem PC gelandet, als du Kaffee holen warst.«
    Isabel warf einen Blick auf den Bildschirm und stellte fest, dass dort tatsächlich das Symbol für eine neue Nachricht blinkte:
     
    Ich erwarte Euch alle um 17   Uhr im Besprechungsraum zu einem außerplanmäßigen Meeting.
    Raimundo Lara
     
    »Was glaubst du, hat er uns mitzuteilen?«, fragte Isabel und drehte sich in ihrem Stuhl zu Hugo um.
    »Vermutlich wird er uns erklären, was mit Alberto los ist. Anscheinend hatte er einen Unfall. Das ist alles, was ich über
     meine alten Kontakte herausfinden konnte. Auch von seiner Frau ist nichts zu erfahren. Weder bei ihm zu Hause noch auf den
     Handys ist jemand erreichbar. Aber sie hätte mich bestimmt angerufen, wenn Alberto etwas wirklich Schlimmes zugestoßen wäre.
     Ich hoffe, Rai hat wenigstens eine Erklärung dafür, warum ausgerechnet er der neue Abteilungsleiter ist.«
    Isabel freute sich zu hören, dass sie nicht die Einzige war, die sich diese Fragen stellte. Sie stand auf und trat zu ihrem
     Kollegen ans Fenster.
    »Hier ist etwas Seltsames im Gange, und niemand will uns darüber aufklären.«
    »Sieht ganz so aus«, brummte Hugo, ohne den Blick von derStadt zu wenden. »Cassandra macht sich ebenfalls Sorgen. Die anderen Teamleiter sind noch nicht lange genug dabei. Sie kannten
     Alberto kaum.«
    Er leerte seinen Becher und verabschiedete sich.
    Isabel sah ihm grübelnd hinterher. Hätte sie ihrem Kollegen von der Szene mit Vera im Restaurant erzählen sollen? Da klopfte
     es kurz und Jorge steckte den Kopf zur Tür herein.
    »Luna hat Kuchen besorgt, um ihre Beförderung zu feiern, und lässt fragen, ob du auch kommst.«
    Isabel lächelte und nickte. Das würde sie auf andere Gedanken bringen.
    Im Nebenzimmer berichtete Beatriz gerade, sie werde bald mit ihrem langjährigen Freund zusammenziehen, und so kam es zu einer
     Diskussion über das Für und Wider des Zusammenlebens als Paar. Nachdem Isabel ihr Stück Kuchen gegessen hatte, entschuldigte
     sie sich und ging zurück in ihr Büro. Es war merkwürdig, aber manchmal fühlte sie sich weit weg von diesen jungen Leuten,
     die doch nur vier oder fünf Jahre jünger waren als sie. Sie konnte deren Gefühle und Interessen nachvollziehen, so lange war
     das alles nicht her, aber die Last der Verantwortung, die sie auf ihrem Posten zu tragen hatte, hatte einen Abgrund zwischen
     ihnen entstehen lassen.
    Isabel nahm ihre Arbeitstasche und den Mantel und verließ das Büro. Das Meeting konnte lange dauern, und sie wollte nicht
     noch mal zurückkommen müssen, um ihre Sachen zu holen. Sie hatte für diesen Tag genug Aufregung gehabt. Sie schloss die Tür
     ab und machte sich auf den Weg zum Besprechungsraum. Sie war kaum zwei Schritte gegangen, da begann es auf einmal neben ihr
     zu rattern, dass sie vor Schreck die Tasche fallen ließ. Das Kopiergerät, das neben dem Kaffeeautomaten stand, hatte scheinbar
     von selbst angefangen zu arbeiten. Isabel schlug das Herz bis zum Hals. Sie

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