Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
Vom Netzwerk:
suchen   … Die automatische Drehtür setzte sich in Bewegung, und der Wachmann nahm die vorschriftsmäßige Haltung an: gerader Rücken,
     Blick nach vorne gerichtet, wachsamer Gesichtsausdruck. Einer der Manager ging auf die Tür zu und winkte freundlich herüber.
     Der Wachmann grüßte zurück und lächelte. Seine Kollegen hätten ihn dafür fertiggemacht. Er ließ sich wieder in den Sitz sacken.
     Er hatte Hunger. Bald würden die anderen zurückkommen, und dann könnte er in den Aufenthaltsraum gehen und sich die Lasagne
     aufwärmen, die seine Frau ihm eingepackt hatte.
    »Entschuldigen Sie.«
    Der Wachmann richtete sich auf. Durch die Glasscheibe sah er, wie der Manager ihm von einem der Drehkreuze aus Zeichen machte.
    »Was gibt’s?«
    »Ich weiß nicht, das Gerät will meine Karte nicht akzeptieren«, sagte der Mann.
    Aber wenn er allein war, durfte er das Wachhäuschen nicht verlassen. Das stand klar und deutlich in den Sicherheitsrichtlinien.
     Der Schlaumeier jedoch, der sie verfasst hatte, war wohl nie selber in so einer Situation gewesen. Was sollte er machen? Den
     armen Mann mit seinem Köfferchen stehen lassen und warten, bis die Glatzköpfe zurückkamen?
    »Mal sehen«, sagte er, während er auf den Manager zuging, der die I D-Card noch mal in den Schlitz steckte.
    »Sehen Sie? Funktioniert nicht.«
    Das Gerät gab einen tiefen Pfeifton von sich und warf die Karte durch denselben Schlitz aus, durch den sie eingeführt worden
     war.
    »Na klar, Sie haben sie ja auch verkehrt herum reingeschoben!«
    Der Manager starrte auf die Karte, als hätte er sie noch nie im Leben gesehen, und wurde rot im Gesicht.
    »Äh   … ja, Entschuldigung. Ich habe mich noch nicht so richtig daran gewöhnt.«
    Ich kann mich an diesen Kram auch nicht gewöhnen, dachte der Wachmann, zog es jedoch vor, zu schweigen. Der Mann schob seine
     I D-Card richtig in den Schlitz, und diesmal wurde sie vom System erkannt. Die Drehtür öffnete sich, und der Manager ging durch.
    Der Wachmann lächelte.
    »Kein Problem, das passiert jedem einmal.«
    Der Manager lächelte ebenfalls und ging zu den Aufzügen.
    Als der Wachmann in sein Häuschen zurückkam, sagte ihm sein sechster Sinn, dass etwas anders war. Er kratzte sich am Kopf,
     schloss die verglaste Tür hinter sich und sah sich um, während er sich langsam auf dem Sessel niederließ. Die Monitore waren
     in Ordnung, sie zeigten die von den Videokameras im Foyer aufgezeichneten Bilder: den Eingangsbereich vor der Tür, die Drehkreuze,
     die Aufzüge, die Türen zur Tiefgarage   … Seine Jacke und sein Rucksack mit der Straßenkleidung und dem Essen waren noch da. Auch auf dem Schreibtisch war alles wie
     zuvor: der Kugelschreiber, die Kladde zum Eintragen besonderer Vorfälle, das Walkie-Talkie, sein eigenes Handy und   … Auf einmal entdeckte der Wachmann, was fehlte. Wenn das wirklich verschwunden war, würde er massiven Ärger bekommen. Aber
     das konnte nicht sein, er hatte das Wachhäuschen doch nur für ein paar Sekunden verlassen   …
    Als er das Päckchen unter dem Stuhl liegen sah, atmete er erleichtert auf. Er hob es auf und legte es zurück auf den Tisch.
     Bestimmthatte er es versehentlich heruntergestoßen, als er aufgestanden war, um dem Manager zu Hilfe zu kommen. Er entspannte sich
     in seinem Sessel. Ein paar Minuten hatte er noch, bis die anderen zurückkamen. Das Päckchen für J.   O’Reilly, den Chef der Reinigungsfirma, die nachts saubermachte, lag wieder auf dem Schreibtisch. Es enthielt die I D-Cards , die der Firma jeden Tag zur Verfügung gestellt wurden. O’Reilly verteilte sie dann unter seinen Leuten, damit sie in die
     entsprechenden Stockwerke fahren und ihre Arbeit tun konnten. Der Wachmann schloss die Augen. Sein sechster Sinn war gut,
     besser, als er selbst es ahnte, aber nicht so gut, dass er gemerkt hätte, dass eine der I D-Cards in der Schachtel nicht mehr dieselbe war. Eine war vertauscht worden. Um genau zu sein, die Nummer 56.
     
    Isabel kam zu dem Schluss, dass ihr letzter Bericht für diesen Nachmittag so stehenbleiben konnte. So gut ihre Mitarbeiter
     waren, sie schrieb ungern Berichte anhand fremder Aufzeichnungen. Aber das Treffen mit Zac war ihr zu wichtig gewesen, als
     dass sie es hätte hinausschieben wollen. Und es hatte sich auch gelohnt. Sie hatte einiges mehr über Carlos erfahren, von
     dem Postfachschlüssel und der merkwürdigen Adresse ganz zu schweigen. Eine Frage war ihr trotzdem den ganzen Nachmittag

Weitere Kostenlose Bücher