Der 3. Grad
Krankenversicherungsunternehmen zu bündeln. Und mit der Zeit war ihm klar geworden, dass er mit seinem Gerede von Gewinnplanungen und seinen schalen Insiderwitzchen nicht der Typ war, der eine schöne Frau für sich einnehmen konnte – gewiss nicht diese sexy Analytikerin, die er bei der von der Bank of America gesponserten Gesundheitskonferenz kennen gelernt hatte.
Es war, als lebte er den Traum eines anderen Mannes aus. Mimi war ganz fasziniert von ihm, und jetzt waren sie schon auf dem Weg zu seinem Hotel. »Die Penthouse-Suite – du wirst von der Aussicht begeistert sein«, scherzte er.
Voller Vorfreude fuhr George mit dem Finger den Saum ihres BHs nach, während er die Tür zu seiner Suite im Clift aufschloss. Er malte sich aus, wie ihre kecken kleinen Brüste vor seinem Gesicht tanzten und diese schmachtenden Augen ihn anhimmelten. Es hatte eben doch etwas für sich, wenn man mit Foto im Jahresbericht aufgeführt war.
»Sekunde, ich bin gleich wieder da«, sagte Mimi. Sie kniff ihn spielerisch in den Arm und verschwand im Bad.
»Aber lass mich nicht so lange warten«, erwiderte George schmollend.
Mit hastigen, ungeschickten Bewegungen riss er die Stanniolhülle von der Flasche Roederer – eine kleine Aufmerksamkeit des Hauses – und füllte zwei Gläser. Sein vierundfünfzig Jahre alter Penis zappelte in seiner Hose herum wie ein Karpfen im Kescher. Am nächsten Morgen würde George schon wieder im Flieger sitzen, auf dem Weg zu einer Sitzung des Gesundheitsausschusses des Senats von Illinois. Die Mitglieder des Ausschusses waren, wie er wusste, bereits dahingehend beeinflusst worden, dass sie nicht allzu genau hinsehen würden, wenn er die ärmsten Einzelkunden und diejenigen mit dem höchsten Risiko von seiner Liste strich. Hundertvierzigtausend Familien weniger im Plan, und jede einzelne würde sich positiv auf die Bilanz auswirken!
Mimi kam aus dem Bad zurück. Sie sah besser aus denn je. George hielt ihr ein Glas hin.
»Auf dich«, sagte er. »Oder vielmehr, auf uns beide. Auf heute Nacht.«
»Auf Hopewell.« Mimi setzte ihr strahlendes Lächeln auf, und sie stießen an.
»Du, willst du mal was ausprobieren?« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Das lässt deine Aktien garantiert
steil
in die Höhe schießen.« Sie nahm ein kleines Fläschchen aus ihrer Handtasche. »Du musst einfach nur die Zunge rausstrecken.«
George tat wie geheißen, und sie träufelte zwei Tropfen auf seine Zunge.
Bitter. Und so scharf, dass ihm fast die Tränen in die Augen traten. »Können die das Zeug nicht mit Kirschgeschmack herstellen?«
»Noch einen.« Ihr Lächeln war bezaubernd. »Nur um ganz sicherzugehen, dass du bereit bist für mich. Für
uns
.« George streckte wieder die Zunge heraus. Sein Herz raste wie wild.
Mimi ließ noch einen Tropfen aus dem Fläschchen fallen. Ihr Lächeln wurde plötzlich ganz anders. Kälter. Sie packte ihn am Kinn, drückte seine Wangen zusammen und drehte das Fläschchen ganz auf den Kopf.
Georges Mund füllte sich mit der Flüssigkeit. Er versuchte sie auszuspucken, doch sie riss seinen Kopf zurück, und er musste schlucken. Die Augen traten ihm aus dem Kopf. »Scheiße, was soll das?«
»Es ist toxisch«, sagte Mimi und ließ das leere Fläschchen wieder in ihre Handtasche fallen. »Ein ganz besonderes Gift für einen ganz besonderen Mann. Der erste Tropfen hätte ausgereicht, um dich binnen weniger Stunden zu töten. Du hast gerade genug davon geschluckt, um ganz San Francisco zu entvölkern.«
Georges Champagnerglas fiel ihm aus der Hand und zersprang am Boden. Er versuchte die Flüssigkeit, die er geschluckt hatte, wieder herauszuwürgen. Dieses Weib war ja total durchgeknallt. Sicher wollte sie ihn nur verarschen. Aber dann schoss ihm plötzlich ein brutaler Schmerz durch den Leib.
»Das ist von all den Leuten, deren Leben Sie mit Ihrem Tun verpfuscht haben, Mr Bengosian. Nicht, dass Sie je einem von ihnen begegnet wären. Es sind einfach nur Familien, denen keine andere Wahl blieb, als sich auf Sie zu verlassen. Auf Hopewell. Felicia Brown? Sie starb an einem Melanom, das heilbar gewesen wäre. Thomas Ortiz? Sagt Ihnen der Name was? Ihrem Risikomanagement-Team gewiss. Er hat sich eine Kugel durch den Kopf gejagt, weil ihn die Behandlungskosten für den Hirntumor seines Sohnes ruiniert hatten. Wir nennen es ›das Budget sanieren‹. Ist das nicht Ihr Lieblingsausdruck, Mr B.?«
Plötzlich begann sein Magen sich zu verkrampfen. Ein zäher Schaum bildete sich
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