Der 3. Grad
unvermittelt der FBI-Mann im Anzug ein. Er drehte ein Blatt Papier um. »Zweitausendeinhundertsiebenundneunzig frei zugängliche Computerterminals mit Internetanschluss in der Bay Area – kommt natürlich auf die Definition an. Colleges, Bibliotheken, Cafés, Flughäfen. Das schließt auch zwei Terminals in Rekrutierungsbüros der Army in San Jose ein, aber ich glaube kaum, dass sie es da versuchen werden, falls das die Suche irgendwie einschränkt.«
»Klar«, sagte ich, als sich unsere Blicke endlich trafen, »das ist schon mal ein wunderbarer Anfang.«
»Tut mir Leid.« Der Mann rieb sich die Schläfen und entspannte seine Züge zu einem müden Lächeln. »Vor gerade mal zwanzig Minuten bin ich aus der Maschine von Madrid gestiegen, und ich habe eigentlich damit gerechnet, nur noch ein paar Sicherheitsfragen zum G-8-Gipfel nächste Woche durchgehen zu müssen. Jetzt frage ich mich, ob ich nicht mitten auf dem Schlachtfeld des Dritten Weltkriegs gelandet bin.«
»Lindsay Boxer«, sagte ich.
»Ich weiß, wer Sie sind«, erwiderte der FBI-Mann. »Sie haben letztes Jahr diesen Feuerüberfall auf die Kirche von La Salle Heights bearbeitet. Das ist im Justizministerium nicht unbemerkt geblieben. Gibt es eine Chance, dass wir diese Attacke innerhalb der nächsten Woche eindämmen können?«
»
Eindämmen?
« Das Wort klang nach Krieg, nach Spionagethrillern.
»Machen wir uns doch nichts vor, Lieutenant. Wir haben es mit einem Gipfeltreffen der Finanzchefs der freien Welt in dieser Stadt zu tun. Und mit einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit. Und wie der Polizeichef bereits sagte, es bleibt uns nicht viel Zeit.«
Der Typ hatte eine direkte Art, die mir gefiel. Nicht der übliche Washington-Export.
»Also geht alles wie geplant über die Bühne?«, fragte Gabe Carr, der stellvertretende Bürgermeister.
»Wie geplant?« Der Mann aus Washington ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Die Veranstaltungsorte sind sicher, nicht wahr? Wir haben ausreichend Personal zur Verfügung, oder, Chief?«
»Jeder Uniformierte in unserer Truppe steht Ihnen nächste Woche zur Verfügung.« Tracchios Augen begannen zu leuchten.
Ich räusperte mich. »Was ist mit den E-Mails, die wir erhalten haben? Was sollen wir damit machen?«
»Was
wollen
Sie denn damit machen, Lieutenant?«, fragte der Mann aus Washington.
Meine Kehle war wie ausgedörrt. »Ich will sie beantworten«, sagte ich. »Ich will einen Dialog beginnen. Die Orte, von denen aus sie antworten, in eine Karte eintragen und sehen, ob uns das irgendetwas verrät. Je länger wir mit ihnen kommunizieren, desto mehr könnten sie uns ungewollt verraten...«
Es trat eine zähe, gedehnte Pause ein. Ich hoffte inständig, dass sie mir den Fall nicht aus den Händen reißen würden.
»Korrekte Antwort.« Der FBI-Agent zwinkerte mir zu. »Wir müssen's ja nicht so dramatisch machen. Ich wollte bloß sehen, mit wem ich zusammenarbeiten werde. Joe Molinari«, sagte er lächelnd und schob mir seine Karte hin.
Ich bemühte mich, keine Miene zu verziehen, als ich sie las, aber mein Herz legte doch ein oder zwei Takte zu.
D EPARTMENT O F H OMELAND S ECURITY , stand da. J OSEPH P. M OLINARI , V IZEDIREKTOR .
Das DHS – das Ministerium für Innere Sicherheit.
Scheiße, der Typ kam von ganz, ganz oben!
»Also gut, fangen wir einen Dialog mit diesen Schweinen an«, sagte der Vizedirektor.
43
Mir schwirrte der Kopf von der Begegnung mit Molinari, als ich zu meinem Büro zurückging. Auf dem Weg dorthin blieb ich vor Jills Tür stehen.
Ein Putzmann saugte auf dem Flur Staub, aber in ihrem Büro brannte noch Licht. Im Hintergrund lief dezent eine Eva-Cassidy-CD. Ich hörte Jills Stimme; sie sprach in ein Diktaphon. »Hey.« Ich klopfte an die Tür und bemühte mich, möglichst reumütig dreinzuschauen. »Ich weiß, du hast schon ein paar Mal bei mir angerufen. Es ist wohl keine Entschuldigung, wenn ich dir erzähle, was für einen Tag ich hinter mir habe.«
»Na ja, wie dein Tag
angefangen
hat, weiß ich ja«, erwiderte Jill. An ihrer Stimme hingen Eiszapfen.
Ich hatte es nicht besser verdient.
»Sieh mal, ich kann es dir wirklich nicht verdenken, wenn du ein bisschen sauer bist.« Ich trat ein und legte die Hände auf die Rückenlehne eines hohen Stuhls.
»Man könnte durchaus sagen, dass ich ein bisschen sauer war«, sagte Jill. »Heute Morgen.«
»Und jetzt?«
»Jetzt... müsste man wohl eher sagen, dass ich
sehr
sauer bin –
stinksauer
, Lindsay.«
Ihre Miene
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