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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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attraktiv ist, oder?« Sie grinste wieder, und dann lachten wir beide.
    Nach einer Weile nahm ich Jills Hand. »Was ich getan habe, tut mir ehrlich Leid, Jill. Es würde mich total fertig machen, wenn ich dich zusätzlich zu allem, was du ohnehin schon durchmachst, noch belasten würde. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich in Zukunft raushalten werde, jedenfalls nicht hundertprozentig. Du bist unsere Freundin, Jill, und wir machen uns schreckliche Sorgen um dich. Aber ich gebe dir mein Wort – ich werde ihm keinen Schläger auf den Hals hetzen. Nicht, ohne es vorher von dir absegnen zu lassen.«
    »Abgemacht.« Jill nickte. Sie drückte meine Hand. »Ich weiß, dass du dir Sorgen um mich machst, Lindsay. Und glaube mir – dafür liebe ich dich. Lass mich die Sache halt auf meine Art und Weise durchziehen. Und lass bitte beim nächsten Mal die Handschellen zu Hause.«
    »Abgemacht.« Ich lächelte.
44
    Für einen Schweizer hatte Gerd Propp sich schon eine Menge amerikanische Vorlieben und Gewohnheiten angeeignet. Dazu gehörte auch das Lachsfischen. In seinem Zimmer im Governor Hotel in Portland breitete er voller Vorfreude die neue Ex-Officio-Anglerweste aus, die er sich gerade zusammen mit ein paar Hightech-Ködern und einem Gaff gekauft hatte.
    Seinen Job als Ökonom bei der OECD in Genf hätte manch einer wohl als zäh und langweilig empfunden, aber immerhin führte er ihn mehrmals im Jahr in die Staaten, und durch ihn hatte er auch Männer kennen gelernt, die seine Leidenschaft für die Jagd nach Coho und Chinook teilten.
    Und dieser Leidenschaft würde er morgen frönen – unter dem Vorwand, seine Rede beim G-8-Gipfel nächste Woche in San Francisco noch einmal überarbeiten zu müssen.
    Er schlüpfte in die nagelneue Anglerweste und betrachtete sich im Spiegel.
Darin sehe ich wirklich wie ein Profi aus!
Als er die Mütze zurechtrückte und die Brust in seiner schicken Weste reckte, kam er sich so kraftvoll und männlich vor wie ein Hauptdarsteller in einem Hollywoodfilm.
    Es klopfte an der Tür. Der Hoteldiener, nahm er an; er hatte an der Rezeption darum gebeten, dass ihm jemand eine Hosenpresse für seinen Anzug aufs Zimmer brachte.
    Als er die Tür aufmachte, erblickte er zu seiner Überraschung einen jungen Mann, der nicht etwa eine Hoteluniform trug, sondern eine schwarze Fleecejacke und eine Mütze, die sein Gesicht zum Teil verdeckte.
    »Herr Propp?«, fragte der junge Mann.
    »Ja?« Gerd schob seine Brille hoch. »Was wünschen Sie?«
    Ehe er noch ein weiteres Wort hervorbringen konnte, sah Gerd einen Arm auf sich zuschießen, der ihn voll am Hals erwischte. Ihm blieb die Luft weg. Dann wurde er zu Boden gestoßen und landete hart auf dem Rücken.
    Gerd schüttelte benommen den Kopf. Seine Brille hatte er verloren, und er fühlte, wie ihm das Blut aus der Nase rann. »Mein Gott, was soll das?«
    Der junge Mann trat ins Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Urplötzlich hielt er einen dunklen, metallischen Gegenstand in der Hand. Gerd erstarrte. Ohne Brille konnte er nicht viel erkennen, doch es gab keinen Zweifel. Der Eindringling richtete eine Pistole auf ihn.
    »Sind Sie Gerhard Propp?«, fragte der junge Mann. »Chefökonom der OECD in Genf? Versuchen Sie nicht, es zu leugnen.«
    »Ja«, murmelte Gerd. »Was gibt Ihnen das Recht, hier hereinzuplatzen und –«
    »Die hunderttausend Kinder, die jedes Jahr in Äthiopien sterben, geben mir das Recht«, unterbrach ihn der Mann. »Sie sterben an Krankheiten, die ohne weiteres verhütet werden könnten, wenn die Schuldentilgung ihres Landes nicht das
Sechsfache
der nationalen Gesundheitsausgaben betrüge.«
    »W-was?«, stammelte Gerd.
    »Die Aids-Patienten in Tansania geben mir das Recht«, fuhr der Mann fort, »die die Regierung elend verrecken lässt, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, die Schulden zurückzuzahlen, mit denen Sie und Ihre wohlhabenden Scheiß-Freunde sie überhäuft haben.«
    »Ich bin nur ein Wirtschaftswissenschaftler«, sagte Gerd. Was glaubte dieser Mann denn, was er da tat?
    »Sie sind Gerhard Propp, Chefökonom der OECD, deren Mission darin besteht, das Tempo zu beschleunigen, mit dem die wirtschaftlich führenden Nationen der Welt die Ressourcen der wirtschaftlich schwachen ausbeuten, um sie in Wohlstandsmüll der Reichen zu verwandeln.« Er nahm ein Kissen vom Bett. »Sie sind der Architekt des MAI-Abkommens.«
    »Sie verstehen das völlig falsch«, entgegnete Gerd voller Panik. »Abkommen wie dieses haben

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