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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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den rückständigen Ländern den Anschluss an die moderne Welt ermöglicht. Sie haben in Nationen, die sonst nie eine Chance gehabt hätten, international konkurrenzfähig zu werden, Arbeitsplätze geschaffen und einen Exportmarkt entstehen lassen.«
    »Nein,
Sie
haben nicht verstanden«, schrie der junge Mann wie von Sinnen. Er ging zum Fernseher und schaltete ihn ein. »Alles, was es diesen Ländern gebracht hat, ist Armut und Ausbeutung. Und diesen Fernseh-Mist.«
    Es lief CNN, das internationale Wirtschaftsbulletin, was irgendwie passend schien. Gerds Augen weiteten sich, als er sah, wie der Eindringling neben ihm niederkniete, und er gleichzeitig die Stimme im Fernsehen sagen hörte, dass der brasilianische Real erneut unter Druck sei.
    »Was tun Sie da?«, stieß Gerd hervor. Die Augen traten ihm aus dem Kopf.
    »Ich werde tun, was Tausende aidskranke, schwangere Frauen mit Ihnen auch gerne tun würden, Herr Doktor.«
    »Bitte«, flehte Gerd, »bitte... Sie machen einen schweren Fehler.«
    Der Eindringling lächelte. Er warf einen Blick auf die Gerätschaften auf dem Bett. »Ah, wie ich sehe, angeln Sie gerne. Das kann ich gut gebrauchen.«
45
    Am nächsten Morgen kam ich um halb acht ins Büro und war überrascht, Vizedirektor Molinari telefonierend hinter meinem Schreibtisch anzutreffen.
    Irgendetwas
musste passiert sein.
    Er bedeutete mir, die Tür zu schließen. Soweit ich es mitbekam, sprach er mit seiner Zentrale an der Ostküste, die ihn über einen Fall informierte. Er hatte einen Stapel Akten auf dem Schoß und machte sich ab und zu Notizen. Das eine oder andere Wort konnte ich entziffern:
9 mm
und
Reiseroute
.
    »Was ist passiert?«, fragte ich, als er auflegte.
    Er deutete auf einen Stuhl, und ich setzte mich. »Ein Mord in Portland. Ein Schweizer Staatsbürger wurde in seinem Hotelzimmer erschossen. Wirtschaftswissenschaftler. Er wollte heute Morgen zu einem Angeltrip nach Vancouver aufbrechen.«
    Ich wollte ja nicht gleichgültig klingen, aber wir hatten es schon mit zwei Mordfällen zu tun, die eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellten, und die Regierungen der füh renden Industrienationen beäugten argwöhnisch jeden unserer Schritte. »Entschuldigen Sie«, sagte ich, »aber inwiefern betrifft das uns?«
    Molinari schlug einen der Ordner auf, die er auf dem Schoß hielt. Er enthielt Fotos vom Tatort, die ihm bereits aus Oregon zugefaxt worden waren. Sie zeigten einen Toten in einer Art Anglerweste, die zwei Einschusslöcher aufwies. Sein Hemd war aufgerissen, und es sah aus, als hätte jemand drei Buchstaben in seine entblößte Brust eingeritzt:
MAI
.
    »Das Opfer war Wirtschaftswissenschaftler, Lieutenant«, sagte Molinari, »bei der OECD.« Er sah mich an und lächelte angespannt. »Damit dürfte alles klar sein.«
    Ich setzte mich. Mir wurde plötzlich ganz flau im Magen.
Sonnenklar
. Mord Nummer drei. Ich sah mir die Tatortfotos genauer an. Schüsse in die Brust und ein »Gnadenschuss« in die Stirn. Ein großer Angelhaken in einem Plastikbeutel für Beweismaterial. Die in die Brust des Toten eingeritzten Buchstaben
MAI
. »Sagen Ihnen diese Buchstaben irgendetwas?«
    »Allerdings«, antwortete Molinari und nickte. Er stand auf. »Ich erkläre es Ihnen im Flieger.«
46
    Der »Flieger«, den Molinari für uns organisiert hatte, war eine Gulfstream G-3 mit einem rotweiß-blauen Wappen auf dem Rumpf und der Aufschrift R EGIERUNG D ER V EREINIGTEN S TAATEN . Der Vizedirektor stand ganz offensichtlich sehr weit oben in der Hackordnung.
    Es war das erste Mal, dass ich im privaten Sektor des San Francisco International Airport einen Privatjet bestieg. Als die Türen sich hinter uns schlossen und die Motoren starteten, kaum dass wir unsere Plätze eingenommen hatten, musste ich mir eingestehen, dass ich das Ganze doch ziemlich aufregend fand. »Das ist schon eine feine Art zu reisen«, sagte ich zu Molinari. Er widersprach mir nicht.
    Der Flug nach Portland dauerte etwas über eine Stunde. Die ersten paar Minuten telefonierte Molinari. Nachdem er sein Gespräch beendet hatte, wollte ich mit ihm reden.
    Ich breitete die Tatortfotos aus. »Sie wollten mir doch sagen, was das bedeutet – dieses ›MAI‹?«
    »Das MAI war ein geheimes Handelsabkommen«, erklärte er. »Es wurde vor einigen Jahren von den reichen Mitgliedsstaaten der WTO ausgehandelt und sollte den großen multinationalen Unternehmen Rechte einräumen, die teilweise diejenigen der nationalen Regierungen aufgehoben hätten.

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