Der 3. Grad
Jungs.«
Sie rollte ihren Stuhl vor den Bildschirm und fuhr den Computer hoch. Dann tippte sie ein paar Suchbegriffe in die Datenbank des
Chronicle
ein:
Robert Meyer. BNA
. Sie drückte die Return-Taste.
Mehrere Treffer erschienen auf dem Monitor. Wir ackerten uns durch etliche irrelevante Artikel zu Antikriegs-Aktivitäten der BNA in den Sechzigern. Doch dann wurden wir fündig.
A NKLÄGER I M P ROZESS U M B LUTIGE B NA-RAZZIA B ENANNT .
Eine Reihe von Artikeln vom September 1970.
Wir gingen von dort ein paar Seiten zurück, und dann – bingo! R AZZIA V ON FBI U ND P OLIZEI A UF BNA -V ERSTECK . V IER T OTE BEI SCHIESSEREI .
Es war die Zeit der radikalen Proteste in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Fast täglich gab es Proteste gegen den Vietnamkrieg, auf der Sproul Plaza in Berkeley demonstrierte die linke Studentenorganisation SDS –
Students For a Democratic Society
. Die BNA hatte schon einige Banken überfallen, dann einen Geldtransporter. Ein Wachmann, eine Geisel sowie zwei Polizisten waren bei dem Überfall getötet worden. Zwei BNA-Mitglieder standen auf der FBI-Liste der zehn meistgesuchten Flüchtigen.
Wir durchkämmten das gesamte Archivmaterial des
Chronicle
zum Thema. Am 6. Dezember 1969 wurde eine Razzia auf ein Versteck der BNA durchgeführt. Das FBI hatte von einem Spitzel einen Tipp erhalten und daraufhin das Haus in einer ruhigen Gegend von Berkeley umstellt. Die Agenten stürmten das Gebäude, aus allen Rohren feuernd.
Fünf Mitglieder der Organisation, die sich in dem Haus aufhielten, wurden erschossen. Unter den Getöteten waren Fred Whitehouse, einer der Anführer der Gruppe, sowie zwei Frauen.
Auch ein junger Weißer wurde bei dem Feuerüberfall getötet, ein Student der Universität Berkeley. Er stammte aus Sacramento; die Familie gehörte dem gehobenen Mittelstand an. Eltern und Freunde behaupteten felsenfest, er habe noch nicht einmal gewusst, wie man mit einer Waffe umgeht. Offenbar nur ein idealistischer junger Mann, der in die Proteste gegen einen unmoralischen Krieg hineingezogen worden war.
Niemand konnte oder wollte sagen, was er in dem Haus verloren hatte.
Sein Name war William »Billy« Danko.
86
Eine Anklagejury wurde einberufen, um über die Schießerei in dem BNA-Haus zu befinden. Üble Anschuldigungen gingen hin und her. Der Fall wurde einem aufstrebenden jungen Staatsanwalt übertragen: Robert Meyer. Jills Vater. Die Geschworenen befanden, dass keine Beweise für ein Fehlverhalten der Polizeikräfte vorlägen. Die Getöteten, so die Argumentation der Polizei, hätten zu den meistgesuchten Verbrechern in der FBI-Kartei gehört; für Billy Danko schien diese Charakterisierung allerdings etwas sehr weit hergeholt. Die FBI-Agenten präsentierten das Waffenlager, das sie bei der Razzia ausgehoben hatten: Uzis, Granatenwerfer, Berge von Munition. Der getötete Fred Whitehouse hatte eine Waffe in der Hand gehabt – doch seine Sympathisanten behaupteten, sie sei nachträglich dort platziert worden.
»Okay«, sagte Cindy erschöpft und schob ihren Stuhl vom Bildschirm zurück, »und was fangen wir jetzt damit an?«
Die Datenbank verwies auf einen Artikel, der 1971 – also etwas mehr als ein Jahr nach den Ereignissen – in der Sonntagsbeilage des
Chronicle
erschienen war.
»Ihr habt doch sicher auch noch ein richtig altmodisches Archiv hier unten im Keller, oder?«
»Ja, haben wir. Unten im Keller. Ein Archiv.«
Inzwischen war es kurz vor vier. Unten im Archiv schalteten wir das Licht ein und standen vor endlosen Reihen von Metallregalen voller Behälter aus Drahtgeflecht.
Ich verzog entmutigt das Gesicht. »Kennst du dich mit dem System aus, Cindy?«
»Klar kenn ich mich mit dem System aus«, erwiderte sie. »Man kommt während der normalen Dienststunden vorbei und fragt den Typen an der Information.«
Wir trennten uns und klapperten die dunklen, voll gepackten Korridore ab. Cindy war sich nicht sicher, ob die Registra tur so weit zurückreichte; möglicherweise war das, was wir suchten, nur auf Microfiche gespeichert.
Endlich hörte ich sie rufen: »Ich hab was gefunden!«
Im Halbdunkel schlängelte ich mich zwischen den Regalen hindurch und folgte dem Klang ihrer Stimme. Als ich Cindy entdeckte, hievte sie gerade große Plastikwannen mit Bündeln alter Ausgaben der Sonntagsbeilage vom Regal. Sie waren nach Jahrgängen etikettiert.
Wir hockten uns nebeneinander auf den kalten Betonfußboden, wo das Licht gerade so zum Lesen
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