Der 3. Grad
ausreichte.
Dennoch hatten wir den Beitrag, auf den die Datenbank verwiesen hatte, rasch gefunden. Es war ein Hintergrundartikel mit dem Titel »Die Hope Street Five – Was wirklich geschah.«
Der Verfasser vertrat die Ansicht, dass die Polizei von Berkeley die ganze Geschichte nur inszeniert hatte, um sich die unliebsamen Revoluzzer vom Hals zu schaffen. Sie hatten einen Tipp von einem nicht genannten Spitzel bekommen. Es war ein Massaker, keine Razzia. Angeblich hatten die Opfer schlafend in ihren Betten gelegen.
Ein großer Teil des Artikels befasste sich mit dem einzigen weißen Opfer der Razzia, Billy Danko. Das FBI hatte behauptet, er sei ein Mitglied der radikalen »Weathermen« gewesen, und ihm die Beteiligung an einem Bombenanschlag auf eine Zweigstelle des Waffenherstellers Raytheon unterstellt. Der Artikel im Chronicle widersprach den meisten der FBI-Angaben über Danko, der tatsächlich nur ein unschuldiges Opfer zu sein schien.
Es war vier Uhr morgens. Ich wurde zunehmend frustrierter und wütender.
Cindy und ich schienen gleichzeitig darauf gestoßen zu sein.
Die Gerichtsverhandlung. Es kam heraus, dass die BNA und die Weathermen Decknamen benutzten, wenn sie miteinander in Verbindung traten. Fred Whitehouse war Bobby Z, nach einem Black Panther, der erschossen worden war. Leon Mickens war Vlad – nach Wladimir Iljitsch Lenin. Joanne Crow war Sasha, nach einer Frau, die sich im Kampf gegen die chilenische Militärjunta selbst in die Luft gesprengt hatte.
»Siehst du es, Cindy?« Im schwachen Licht des Archivs blickte ich ihr in die Augen.
Der Deckname, den Billy Danko für sich gewählt hatte, lautete August Spies.
Jill hatte uns den Weg gezeigt.
87
In Molinaris Büro brannte Licht – um sechs Uhr morgens das einzige im gesamten Justizpalast.
Als ich eintrat, telefonierte er gerade. Seine Miene erhellte sich – zumindest glaubte ich ein müdes Lächeln zu erkennen; erfreut, aber gleichzeitig erschöpft. Niemand bekam in diesen Tagen genügend Schlaf.
»Ich habe gerade versucht«, sagte er, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, »den Stabschef davon zu überzeugen, dass der Unterschied zwischen der Sicherheitslage bei uns und beispielsweise in Tschetschenien nicht nur darin besteht, dass wir hier die größeren Brücken haben. Sag mir, dass du etwas hast – irgendwas.«
Ich legte ihm den vergilbten, zusammengefalteten Zeitungsartikel hin, den ich in Jills Arbeitszimmer gefunden hatte.
Molinari nahm ihn. Er las die Überschrift – A NKLÄGER I M P ROZESS G EGEN B NA-BOMBER B ENANNT – und überflog den Artikel.
»Wie hast du diese Leute noch mal genannt, Joe? Diese Radi kalen aus den Sechzigern, die seither untergetaucht sind, aber jederzeit wieder aktiv werden können?«
»Weiße Kaninchen?«, erwiderte er.
»Was, wenn es vielleicht gar nichts Politisches ist? Wenn ihre Motivation eine ganz andere ist? Oder vielleicht ist es ja zum Teil politisch, aber es steckt noch etwas anderes dahinter.«
»Die Motivation
wofür
, Lindsay?«
Ich schob ihm den letzten Artikel zu, den aus der Sonntagsbeilage. Ich hatte ihn so gefaltet, dass die Passage über Billy Dankos Decknamen oben lag, und die Worte »August Spies« mit rotem Leuchtstift eingekreist.
»Wieder aktiv zu werden. Diese Morde zu begehen. Vielleicht sind sie irgendwie auf Rache aus. Ich weiß noch nicht genug. Aber das hier ist schon mal ein Anfang.«
In den nächsten Minuten informierte ich Molinari über alles, was wir herausgefunden hatten – bis hin zu der Entdeckung, dass der zuständige Staatsanwalt damals Robert Meyer gewesen war, Jills Vater.
Molinari blinzelte ungläubig. Er sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Es klang ja auch verrückt. Was ich da vortrug, stand in eklatantem Widerspruch zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen, den Aussagen der Täter, den Erkenntnissen sämtlicher Strafverfolgungsbehörden im Lande.
»Und wie willst du jetzt weiter vorgehen, Lindsay?«, fragte Molinari schließlich.
»Wir müssen so viel wie möglich über die Personen herausfinden, die sich damals in diesem Haus aufgehalten haben. Ich würde mit Billy Danko anfangen. Seine Familie stammte aus Sacramento. Das FBI hat doch Unterlagen über die Vorfälle, nicht wahr? Oder das Justizministerium, egal wer. Ich muss alles wissen, was die Bundesbehörden wissen.«
Molinari schüttelte langsam und bedächtig den Kopf. Mir war durchaus klar, was ich da verlangte. Er schloss für einen Moment die Augen und lehnte sich
Weitere Kostenlose Bücher