Der 3. Grad
Und Strickland, der die Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld des G-8-Gipfels koordinierte.
»Lightower war damals dort«, verkündete ich. Ich konnte meine Aufregung kaum verbergen. »In Berkeley – zur Zeit der BNA-Razzia. Und George Bengosian auch. Sie waren alle dort.«
»Ich weiß«, sagte Molinari.
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Ich brauchte nur eine Sekunde, um zu begreifen. »Ihr habt die FBIAkte über die BNA gefunden?«
»Noch besser«, erwiderte Molinari. »Wir haben einen der FBIAgenten gefunden, die damals für die Razzia in der Hope Street verantwortlich waren.
William Danko war ein Mitglied der Weathermen. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Er wurde gesehen, als er die Filiale von Grumman ausspionierte, auf die im September 1969 ein Bombenanschlag verübt wurde. Sein Deckname August Spies wurde beim Abhören von polizeibekannten Telefonanschlüssen der Weathermen registriert. Der Knabe war kein Unschuldslamm, Lindsay. Er war in einen Mord verwickelt.«
Molinari schob mir einen gelben Schreibblock zu, der mit Notizen in seiner Handschrift bedeckt war. »Das FBI hatte etwa drei Monate vor der Razzia begonnen, ihn zu beschatten. Es waren noch ein paar andere Mitglieder der Berkeley-Zelle daran beteiligt. Es gelang dem FBI, einen von ihnen umzukrempeln und zu einem Informanten zu machen. Es ist doch erstaunlich, wie die Androhung einer fünfundzwanzigjährigen Haftstrafe in einem Bundesgefängnis selbst die vielversprechendste Medizinerkarriere ausbremsen kann.«
»Bengosian!«, rief ich. Das Blut schoss mir in den Kopf. Ich fühlte mich bestätigt.
Molinari nickte. »Sie haben Bengosian umgekrempelt, Lindsay. So sind sie an jenem Abend in das Haus in der Hope Street hineingekommen. Bengosian hat seine Freunde verraten. Du hattest Recht – und das ist noch nicht alles.«
»Lightower«, sagte ich erwartungsvoll.
»Er war Dankos Zimmergenosse«, erwiderte Molinari. »Die Uni hatte repressive Maßnahmen gegen Studenten ergriffen, die im SDS aktiv waren. Offensichtlich hatte Lightower beschlossen, dass es Zeit für ein Auslandssemester war.
Und einer der FBI-Agenten, die damals bei dieser Razzia das Kommando hatten, wurde anschließend befördert. Nach zwanzig Dienstjahren hat er sich hier in San Francisco zur Ruhe gesetzt. Er hieß Frank T. Seymour. Kommt dir der Name irgendwie bekannt vor?«
Ja, der Name kam mir allerdings bekannt vor, aber er erfüllte mich nicht gerade mit Begeisterung. Eher mit Entsetzen und Abscheu.
Frank T. Seymour war eines der Todesopfer der Explosion im Rincon Center.
92
Es war jetzt Nacht, und Michelle liebte die Nacht. Da konnte sie sich die
Simpsons
und alte Folgen von
Friends
anschauen. Ein bisschen lachen – so wie früher, bevor das alles angefangen hatte. So wie früher, als kleines Mädchen in Eau Claire.
Sie hatten das Apartment in Oakland aufgeben müssen, in dem sie die letzten sechs Monate gewohnt hatten, und waren in Julias Haus in den Berkeley Flats gezogen.
Und sie konnten kaum noch vor die Tür gehen. Die Situation war zu angespannt. Ab und zu sah sie im Fernsehen ein Foto von Mal, nur dass sie ihn in den Nachrichten Stephen Hardaway nannten. Robert war inzwischen ebenfalls bei ihnen eingezogen. Jetzt waren sie zu viert. Eventuell würde Charles Danko auch bald auftauchen. Er hatte angeblich den fertigen Plan, den Plan für das große Finale. Das würde alle von den Socken hauen, hatte Mal versprochen. Es war eine Riesensache.
Michelle schaltete den Fernseher aus und ging nach unten. Mal saß am Tisch, über ein Gewirr von Drähten gebeugt; er bastelte an seinem neuesten Höllenapparat herum. Sie hatten einen Plan, sagte er, wie sie dieses Prachtstück hineinschmuggeln könnten. Sie flippte schon aus, wenn sie nur im selben Zimmer war wie dieses verdammte Ding.
Lautlos trat sie von hinten an ihn heran. »Mal, willst du was essen? Ich kann dir was machen.«
»Du siehst doch, dass ich arbeite, Michelle.« Mehr ein Anschiss als eine Antwort. Er lötete gerade einen roten Draht in einem hölzernen Tischbein fest, das, wie sie wusste, die Zündkapsel enthielt.
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du, Mal, ich muss mit dir reden. Ich glaube, ich möchte aussteigen.«
Mal richtete den Oberkörper auf und erstarrte. Er nahm die Lupe von der Stirn und wischte sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht.
»Du willst aussteigen?«, echote Mal. Er sah sie an und nickte; er schien sich über sie zu amüsieren. »Und wohin willst du gehen? Willst du dich in den Bus setzen
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