Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
Pokerrunde einladen lassen, aber er hatte abgelehnt.
Er stand auf und ging zum Fenster. War Hannah eine gute Pokerspielerin? Er konnte sich vorstellen, dass sie kein Problem damit hätte, ihre Freude oder Enttäuschung über ein Blatt zu verbergen, vielleicht jedoch nicht mutig genug wäre, um gut zu bluffen. Die vorsichtige Lady war wahrscheinlich auch im Kartenspiel zurückhaltend.
Es war eine schöne klare Nacht, angenehm und still. Aber anstatt diese Schönheit zu genießen, kämpfte Nick mit einer nervösen Unruhe. Er hatte viel zu lange allein gelebt, um die Symptome nicht zu erkennen. Dieses nagende Gefühl im Bauch, das Bedürfnis, sich unbedingt bewegen zu müssen. Wenn er ruhig blieb, wenn er sich erlaubte, der Stille zu lauschen, würde er das leise Flüstern des Schmerzes hören.
Er war es leid, einsam zu sein. Er wollte sich binden.
Leise fluchend fragte er sich, wann Hannah begonnen hatte, ihm unter die Haut zu gehen. Ihm war klar, dass es bereits Monate her sein musste. Vielleicht schon vom ersten Tag an, als sie ihm aufgefallen war und er sie aufgefordert hatte, mit ihm durchzubrennen. Sie war viel zu verblüfft gewesen, um etwas dazu zu sagen, und hatte ihn nur mit großen Rehaugen angestarrt, wobei ihr vor Schreck der Mund ein wenig offen stand. Dann hatte sie begriffen, dass es ein Scherz war, und ihn mit einer scharfen Bemerkung in seine Schranken verwiesen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, was sie gesagt hatte, aber das war auch egal.
In diesem Moment jedenfalls hatte er gewusst, dass er an ihrem Käfig gerüttelt hatte, und konnte es kaum erwarten, das zu wiederholen.
Mit Hannah zu flirten war zu seiner Lieblingsbeschäftigung geworden, und er hatte sich immer darauf gefreut, sie wiederzusehen. Aber niemals war ihm in den Sinn gekommen, das Spiel in die Realität umzusetzen … bis letzte Woche. Bis er Zeit mit ihr verbracht und ein paar Blicke auf die zärtliche Frau geworfen hatte, die sie unter den Schichten ihrer Abwehr verbarg. Bis er sie in den Armen gehalten und geküsst hatte und zu vermuten begann, dass sie eine Frau war, die er vielleicht niemals vergessen würde.
Nick spielte ein Spiel, bei dem er sich erlaubte, in eine Zukunft zu schauen, die im Bereich des Möglichen läge, wenn er jemand anders wäre. Ein anderer Mann.
Er wusste, dass die Vergangenheit ihn fest im Griff hielt. Vielleicht sollte er einmal darüber nachdenken, sich daraus zu befreien. Aber das konnte er nicht. Dieser Schmerz, diese Bilder gehörten zu ihm, wie seine Knochen und seine Haut zu ihm gehörten. In jede einzelne Zelle hatten sich die Schläge, das Leiden und die Ungewissheit eingebrannt. Letztere war das Schlimmste, denn nie hatte er gewusst, wann es wieder soweit sein würde. Jeden Morgen war er mit derselben Frage aufgewacht: Würde sein Vater heute wieder trinken?
Manchmal waren Wochen vergangen, ohne dass etwas passiert war, manchmal sogar ein paar Monate. Dann war sein Vater nach der Arbeit nicht nach Hause gekommen, und Nick hatte schlaflos im Bett gelegen und gewartet. Stunden oder Tage später tauchte er irgendwann wieder auf – völlig betrunken, stinkwütend, gemein. Blutend und gebrochen hatte Nick sich geschworen, nie wieder einen solchen Schmerz zu erleiden, und an diesen Schwur hatteer sich gehalten. Die körperlichen Schmerzen waren dabei seine geringste Sorge. Vor ihnen fürchtete er sich nicht. Was er nicht ertragen konnte, war der emotionale Betrug – ein geliebter Mensch, der sich ohne ersichtlichen Grund gegen ihn wandte. Noch nie hatte er über seinen Schwur gesprochen, denn er hatte es immer vermieden, sich überhaupt einmal so weit auf jemanden einzulassen.
Mit der Einsicht eines Erwachsenen wusste er natürlich, dass es an der Zeit wäre, Frieden mit dem zornigen Kind seiner Vergangenheit zu schließen. Möglicherweise wäre es sogar an der Zeit, einmal sein Glück in der Liebe zu versuchen.
Sollte er es wagen? Wusste er überhaupt, wie man das anstellte? Nach all den Jahren, in denen er sich emotional zurückgezogen hatte, war er da überhaupt noch in der Lage, jemanden zu lieben? Versucht hatte er es nie.
Zwischen den Bäumen nahm er eine Bewegung wahr. Als er sich zur Haustür umdrehte, sah er, wie Hannah hereinkam.
Die Luft, die sie umgab, vibrierte vor Energie. Schützend verschränkte sie die Arme vor der Brust, und sie sah ganz blass aus. Er ging auf sie zu.
„Was ist passiert?“
„Ich …“ Sie schüttelte den Kopf. „Nichts.“
Er wollte sie
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