Der 50-50 Killer
ein Computer«, sagte er. »Ihr habt ihn vielleicht schon im letzten Bild gesehen. Angeschaltet. Sehr hübscher Bildschirmschoner.«
»Rührt ihn bitte nicht an.«
»Hat niemand getan, Greg. Ich weiß doch, wie eifersüchtig du über deine Computer wachst.«
»Würdest du gern hinfahren, Greg? Dir eventuell die EMails ansehen, die Dateien, Keylogger Software.«
»Aber gern.«
»Wartet, ich bin noch hier«, erinnerte uns Simon. »Bevor ihr alle weglauft. Ihr solltet euch die letzte Datei ansehen, die ganz unten.«
Greg minimierte das offene Bild und klickte auf die Datei, die Simon erwähnt hatte.
Das Foto war im Schlafzimmer aufgenommen worden, der Kameramann hatte am Ende des Betts gestanden, mit Blick auf das Kopfende. Auf der cremefarben gestrichenen Wand war eins der Spinnennetze des 50/50-Killers. Es war groß, hässlich und schien – genau wie die Zeichnung, die wir in Simpsons Wohnung gefunden hatten – mit dickem schwarzem Filzstift gezeichnet worden zu sein. Jede der Linien war so dick wie eine Fingerspitze. Alle waren mit kurzen Strichen durchkreuzt.
Mercer beugte sich hinüber, um besser sehen zu können.
»Greg, würdest du eines der Fotos öffnen, die in Farmers Wohnung aufgenommen wurden?«
Greg begann, sich durchzuklicken.
Zuvor hatten wir in Farmers Wohnzimmer das Netz wiedererkannt, das der Killer an Kevin Simpsons Wand gemalt hatte, und hatten dann angenommen, dass die anderen, die da aufgezeichnet waren, Variationen des gleichen Musters seien. Doch als Greg das Foto öffnete und die Bilder auf dem Monitor zum Vergleich nebeneinanderrückte, dauerte es nur einen Moment, es zu finden.
»Dort.«
Eine der Skizzen an der Wand war in Simpsons Wohnung hinterlassen worden, eine zweite bei Scott und Jodie. Zwei von vielleicht dreißig.
Mercer schien fasziniert von dem, was er sah. Er deutete auf das Foto an Carl Farmers Wand.
»Manche der Zeichnungen sind offensichtlich sehr ähnlich«, sagte er. »Wisst ihr, was wir hier vor uns haben? Ich hatte es fast, als wir dort waren, aber dann hab ich den Faden verloren. Das sind seine Notizen.«
Greg zog die Stirn kraus. »Was soll das heißen?«
»Der Laptop stand in der Ecke des Zimmers«, sagte er leise.
»Ich kann mir vorstellen, wie er da gearbeitet hat. Er hat sich Videoclips angesehen, sich die Sachen angehört, die er aufgenommen hatte, und dabei hat er hier gestanden und sich an der Wand Notizen gemacht.«
»Die Spinnennetze sollen die Opfer darstellen?«
»In gewissem Sinn schon. Er schaut sich die Leute eine Zeitlang an, und das sind die Verbindungen, die er zwischen ihnen herausgearbeitet hat. Dann zerschneidet er jede Linie, eine nach der anderen.«
Mercer tippte auf den Bildschirm und wies auf die einzelnen unterbrochenen Striche hin.
»Er nutzt das, was er erfährt, und bringt sie dazu, ihren Partner zu opfern und ihr eigenes Leben zu retten. Aber er will das ganze Netz haben. In seinem Bewusstsein ist die Beziehung selbst das Opfer, hinter dem er wirklich her ist.« Ich legte den Kopf ein wenig schräg, um die Zeichnungen zu betrachten. Zuerst erkannte ich nichts, doch dann wurde es klar. Ich begriff es immer noch nicht ganz, aber ich sah sie jetzt. Vor meinen Augen wurden aus den Spinnennetzen zerrissene, ruinierte Dinge – die komplexen Fäden einer Beziehung waren zerschnitten, abgetrennt und zerstört, genauso an der Wand hängen gelassen wie die Leichen der Opfer darunter liegen gelassen wurden.
Notizen.
Ich versuchte, mir auszumalen, wie der Killer die Welt sah. Es war unmöglich. Ich konnte mir den geistigen Filter nicht vorstellen, der Informationen über Menschen in so entsetzliche, hässliche Dinge verwandelte. Und doch existierte dieser Filter. Wie grauenvoll die Spinnennetze auch waren, ihre Form war nicht willkürlich. Es war klar, dass jedes lange mit Sorgfalt überdacht und geplant worden war. Frühere Entwürfe waren nicht ganz geglückt, was bedeutete, dass der Killer etwas an ihnen auszusetzen gehabt und kleine Einzelheiten abgeändert hatte, mochten sie uns auch noch so zufällig erscheinen. Er perfektionierte die Form, nach Kriterien, die uns unbegreiflich waren.
Ich sah Greg an, der ebenfalls auf den Bildschirm starrte. Er wusste, dass Mercer recht hatte, schien es aber wegen allem Übrigen nicht zugeben zu wollen und tat sein Bestes, unbeeindruckt auszusehen.
»Okay«, sagte er. »Können wir uns jetzt Hunters Fall anschauen, bitte?«
Mercer antwortete nicht, aber er wandte sich seinem eigenen
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